Gespräch mit Mathias Brenner und Franka Kahl am 7.11.2020

Matthias Brenner (*10.09.1957 in Meiningen) ist ein deutscher Intendant, Schauspieler, regisseur und Autor.

Franka Kahl (*Cottbus) ist eine deutsche Schauspielerin und Sprecherin.

Einleitung: Mathias Brenner erzählt von seinen Anfängen als Schauspieler, der Wendezeit und seiner Position als Intendant in Halle. Während des Gesprächs ist Schauspielerin Franka Kahl anwesend, die im Jugendclub des Theaters Annaberg-Buchholz erste Erfahrungen auf der Bühne sammelte und dort Brenner kennenlernte. Dieser wurde 1957 in der Theaterstadt Meiningen geboren und begann nach seiner Ausbildung zum Dreher ein Schauspielstudium an Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ in Berlin. Er bekam mit einem Teil der Klasse noch vor Abschluss des Studiums ein Engagement am Theater Annaberg-Buchholz. Dort berichtet er vom Verhältnis der Staatssicherheit und den Bezirksbevollmächtigten zu ihnen und dass sie viele Freiräume hatten. Am Theater Erfurt erlebte er die Wende und erzählt vom Tage des Mauerfalls, der Aufführung an diesem Abend und der darauffolgenden Theaterflaute. 2010 übernahm Brenner die Intendanz des Neuen Theaters wie des Kinder- und Jugendtheaters „Thalia“ in Halle. Er berichtet vom „Theaterstreit in Halle“ und die Maßnahmen, die während Corona ergriffen wurden. Das Interview führte Stefan Petraschewsky.

 

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Stefan Petraschewsky [00:00:00]:

Ja Guten Morgen. Danke, dass Sie so zahlreich erschienen sind digital. Hätte ich gar nicht gedacht. Ähm… Es ist ein bisschen anders als gedacht, weil Franka Kahl ist schon da. Das hat ein bisschen was mit der Demo zu tun.

 

Franka Kahl [00:00:17]:

Ja.

 

Stefan Petraschewsky [00:00:17]:

Weil wir nicht genau wussten, ob man dann noch in die Stadt reinkommt oder nicht. Und es hat eben noch einen anderen Grund, dazu vielleicht später. Und ähm, Matthias Brenner ist auch da, und ich möchte mich erst mal sehr, sehr herzlich bedanken, dass, äh, du gekommen bist. Wir duzen uns.

 

Matthias Brenner [00:00:36]:

Ja, ja.

 

Stefan Petraschewsky [00:00:41] :

Ähm… Vielen Dank.

 

Matthias Brenner [00:00:41]:

Sehr gerne. Gut freue mich –

 

[00:00:41] Stefan Petraschewsky:

Gut also. Ja, tschuldigung –

 

Matthias Brenner [00:00:42]:

Gut, ich freue mich über die Einladung. So. [lacht]

 

Stefan Petraschewsky [00:00:46]:

Theater in Ostdeutschland, das Seminar ist klar. Das letzte Mal haben wir, äh, so ‘ne Art kleine Einführung gemacht. Also ein relativer Ritt. Und ähm… Was mir auch noch nicht so klar war. Bei dieser ganzen Entwicklung des Seminars ist, dass man vielleicht doch diese Grundlagen erst ‘mal für die DDR, also Theater in der DDR, was man das eigentlich doch mal am Anfang so als, als jetzt kleines Fundament mit im Blick haben sollte. Und da haben wir ja zum Beispiel, hatte ich gesagt, es gibt ähm… ‘nen Fokus auf Kinder und Jugendtheater. Und Matthias Brenner ist ja als Intendant in Halle des Neuen Theaters auch verantwortlich für das Thalia Theater, was eins dieser Kinder- und Jugendtheater war, in einer abgespeckten Form. Äh. Aber es gibt‘s zumindestens noch vom Titel. Und ähm wir haben auch, das war die Arie mit Goethe und deutsches Nationaltheater, äh, 1948/49. Dass natürlich dieses Menschheitsbild, was sich die DDR sich auf die Fahne geschrieben hat, dieses Menschheitsideal natürlich ganz wichtig war. Also Faust II. Und das mussten glaub‘ ich auch, das musstet ihr Lernen. Ne? Ein, ich wollte sagen Pfuhl –

Franka Kahl [00:02:00]:

Also Faust II haben wir –

Matthias Brenner [00:02:00]:

„Ein Sumpf zieht an, die Berge hin.“ Ja. Das mussten wir lernen.

Stefan Petraschewsky [00:02:07]:

Und, und das am Ende ist mit freiem Volk, auf –

 

Franka Kahl:

Mhm.

 

Matthias Brenner [00:02:10]:

[rezitierend] Ähm, „Auf freiem Grund, mit freiem Volk zu stehen, zufrieden, jauchzet gross …“ Ne, das ist ein anderes, Osterspaziergang. Ähm, ah….

Franka Kahl [00:02:16]:

Das ist –

Stefan Petraschewsky [00:02:16]:

Aber ist das auch im Osterspaziergang?

 

Matthias Brenner [00:02:19]:

Ja, da ist es auch, das Motiv mit drin. Aber es gibt es, ich komm gleich drauf, wie die letzten das kann nur – äh äh – Erdentage Millionen untergehen. Ähm, „hier bin ich Mensch, hier, hier darf ich sein.“ Ja, so, so endet das, ja.

 

Franka Kahl:

Mmm.

Stefan Petraschewsky [0:02:31]:

Hier in der DDR bin ich Mensch, hier darf ich sein. Nach dem schlimmen Faschismus in der Welt und so weiter, das muss man ja, glaube ich, in der Zeit so denken.

 

Matthias Brenner:

Mhm.

 

Und das war eben wichtig, also für die DDR so. Dann kam die Wende. Dann kam der Einigungsvertrag mit diesem Passus: „Die Struktur der Kultur darf nicht beschädigt werden.“ Und dann kamen die letzten 30 Jahre. Und natürlich wurde es wahrscheinlich doch beschädigt. Ne? Es gab Fusionen. Es gab Ein-, große Einsparungsrunden, die, so die Haustarifverträge, über die wir gesprochen hatten. Also das Weimarer Modell. Das war das, das Erste, was, äh, sehr, sehr durch die Presse ging. An der Stelle. Ähm. Ne andere Frage ist natürlich, was interessiert das Publikum in der Zeit, also man ist ja völlig aus dem Rhythmus, oder viele waren völlig aus dem Rhythmus, glaub‘ ich. Geht man da noch ins Theater oder hat man andere Sachen zu tun? Is‘ man arbeitslos. Wie reagieren auch die Theater auf diese Geschichten? Es gibt dann noch diese Phase der GmbHs. Also, da hat sich das, die Politik oder die Landkreise oder so, die kommunalen Verantwortlichen vielleicht auch leicht gemacht, sag: „Macht ihr mal ne GmbH, dann müssen wir uns nicht mehr so doll kümmern.“ Fällt das den Leuten irgendwann auf die Füße? Äh … ja, und dann natürlich 2015, die sogenannte „Flüchtlingswelle“. Also Ge-, Geflüchtete. Ne. Wo Theater ein Ort ist, wo es so, Möglichkeiten gibt, äh, miteinander in Kontakt zu kommen. Und heute natürlich, ähm, mit diesem ganzen Rechtsruck in der Gesellschaft und der Spaltung der Gesellschaft, eben auch so Theater als, als Anker einer demokratischen Gesellschaft. In den jeweiligen Orten. Also natürlich besonders im ländlichen Raum. Das sind jetzt alles so Fachbegriffe. Ländlicher Raum? Was ist ländlicher Raum? Franka Kahl kommt aus dem ländlichen Raum. Das Theater in Freiberg und in Döbeln, das auch fusioniert ist, ist sozusagen… Okay, aber das nur als kleine Wiederholungs- oder Erinnerungs-, äh, Nummer. Und ähm, vielleicht starten wir, wie wir das uns auch gedacht haben mit Matthias Brenner erstmal und, äh, Matthias kannst du ein bisschen was zu deiner Theaterbiografie erzählen? Also du bist 57 geboren, und zwar in Meiningen.

 

Matthias Brenner [0:05:02]:

Genau. In Meiningen. Und ich glaube, in der… äh… wie sagt man, in dem, äh äh… Eigentlich, ist es, die ganze Stadt ist ein Theater, nichts anderes. Äh, es gab dort noch das Reichsbahnausbesserungswerk, das RAW. Aber alles drehte sich meiner Kindheit um dieses Theater, egal was war. Es war entscheidend, was in und um das Theater stattfand. Die Gerüchteküche war unglaublich, und ich hab mir das natürlich als Kind erlebt. Eine Selbstverständlichkeit der ganzen Welt ist, dass man über Theater redet. Äh. Es wurde mir erst viel später erst klar, dass das eine große Besonderheit war,

 

Franka Kahl [0:05:36]:

[lachen im Hintergrund]

 

im, im Grunde genommen bis heute mit zum Teil ein bisschen umgekehrten, wirtschaftlichen Vorzeichen.

Stefan Petraschewsky [0:05:43]:

Mmm.

Also ich bin da, bin dort geboren, habe dann später im Fahrzeug- und Jagdwaffenwerk, Suhl, in diesem Mopedwerk, wo die berühmten Dinger herkamen, heute berühmten…

 

Stefan Petraschewsky [0:05:51]:

Schwalbe…

Matthias Brenner [0:05:53]

Mopeds, Schwalbe, und alles das. Star ist 50 und so was, äh, mal ein Beruf gelernt, in der Metallbranche, also Dreher und, äh, bin dann wie alle anderen, äh, zur Nationalen Volksarmee zum Wehrdienst eingezogen worden, also Pflicht, vor anderthalb Jahren. Dann bin ich eigentlich Hochschule für Schauspielkunst. – „Ernst Busch“ heißt sie heute, damals war es noch staatliche Schauspielschule Berlin – gegangen, zu dem wunderbaren Professor Penker und zu dem, äh, sehr schwierigen Politbürokandidaten, äh, ähm, Hans-Peter Minetti,

 

Franka Kahl [0:06:26]:

[lachen im Hintergrund]

der damals Rektor war, äh, eine sehr, also auch im ideologischen Sinne, spannende Zeit, äh, weil sich diese Schule in Auftrag und Ethik, äh, realer Ethik unter Theaterleuten und Auftrag durch eben diesen Politbürokandidatmitglied, der dort Rektor war, Schauspieler war, äh, zerrissen wurde eigentlich in den, es war eine unglaubliche Zeit der Spannung. Wir reden über das Jahr 79 bis 82. Da war implizit immerhin die sogenannte Polen-Krise, also die Lenin-Werft und Wałęsa, äh, die dort ihre Schritte machten. Solidarnosc-Zeit,

 

Stefan Petraschewsky [0:07:06]:

Mmm, mmm.

Ähm, war dort. Das war 82, bin ich dann raus aus der, äh, Schule, und durch einen bestimmten Umstand ich sage es heute Glück im Unglück. Äh. Ich will mich hier nicht zum Helden spielen, aber ich war letztendlich von Minetti nicht mehr geduldet, äh, in Berlin Theater zu spielen, weil ich es damals abgelehnt hatte, aber ganz passiv, also gar nicht heldenhaft, abgelehnt hatte, an die sogenannte Meisterklasse zu gehen. Der im Theater im Palast der Republik war, TIP genannt. Vera Oelschlegel leitete das, die Frau des damaligen Ideologen im Politbüro, Konrad Naumann. Äh, und Hans-Peter Minetti war sozusagen der Meister, und da wollte ich nicht dazugehören. Also so und, äh, das war für mich undenkbar, äh, dahin zu gehen. Und dort bin ich durch einen Glücksumstand, indem es natürlich auch wieder viele Menschen gaben – man war gut vernetzt in der Zeit, auch wenn es analog war – äh, hat mir eine Frau, eine Frau von der sogenannten Direktion für Theater und Orchester. Das ist so vergleichbar mit der heutigen ZBF.

Franka Kahl:

Mmm.

Äh, Valentina Wolf, Gott hab sie selig, sicherlich sehr geholfen und gab mir den Tipp: Ähm, es gibt ein Theater in der DDR. Im Süden der DDR. Es sind 13 freie Plätze, weil die haben gerade umgebaut und vergrößern sich im Ensemble und sind äh, äh, erneuert, das ist aber Annaberg-Buchholz. Und da sind wir dann als gesamtes, also halbes Studienjahr hingegangen, ganz einfach so, das waren Verschiedene, die sich so lost empfanden, okay. Und irgendwie haben wir gesagt, dann machen wir was draus, so, und nennen uns ein „Absolventen Einsatz Projekt“. [lachen im Hintergrund] Und wir kriegten Fechtunterricht, Reitunterricht, Sprache und Sprechunterricht weiter, und waren äußerst beachtet dort, dort unten und machten eigentlich ganz normal wie in einem Studien- äh, äh, -gang weiter, äh, so. Das war in den nächsten drei Jahren. Da habe ich ein großes Lächeln drin, über diese Zeit, weil man schon im Fokus stand, aber trotzdem genügend wieder im Windschatten da unten, und äh, sich einige Dinge anders erlauben konnte. Das, da lernten wir auch selber, ein Theater in die Hand zu nehmen, denn der damalige Intendant, weil der Oberspieler dort schied aus, äh, fragte uns dann zu dritt, ob drei Leute von uns nicht die Leitung des Schauspiels übernehmen, und so das war auch unmöglich. So [lacht], so haben wir das sozusagen, ähm, für uns er-, erobert und mein weiterer Weg war dann nach drei Jahren ganz geplant –

 

Stefan Petraschewsky [0:09:24]:

Minute, ganz kurz, da will ich nur unterbrechen. Meiningen in der DDR-Zeit, gab es diese Georg, der Zweite Tradition?

Ja.

Der ein Theaterherzog war. Also in der DDR wurde das auch gefeiert.

 

Matthias Brenner [0:09:32] :

Jaja, das, das wurde richtig, ja ja, das war geradezu heiliggesprochen. Also so, äh, das war ja, er galt ja, der Herzog galt ja, wenn man so will, also für, für, wenn man das so sehen wollte, als Frühsozialist. Also wenn man so will, wie nennt man das, äh, heute? Äh, nicht Sponsoren. Wie ist dieses andere Wort?

 

Franka Kahl und Stefan Petraschewsky [0:09:52] :

[im Chor] Mäzen. Mäzen…

Matthias Brenner:

Ah, ähm, Mä-, Mä-, Mäzen, jedenfalls, der humanistisch fortschrittlichen Gesellschaft. Immerhin, wie ich das heute weiß, damals war mir das nicht, nicht so klar sind Autoren wie Ibsen, äh, auch natürlich in der Musik wie Brahms, äh, sind dort uraufgeführt worden, also die kriegten in ihrem eigenen Heimatland, in Norwegen oder so, nicht die Möglichkeit, sich dort zu präsentieren, das hat der Herzog dann zu sich geholt, den sogenannten Naturalismus. Ist wieder dort auch als Theaterform, äh, mehr oder weniger präsentiert und dadurch weiter entstanden. Äh, es war, es war schon spannend. Nee, nee, das wurde, das war auch da in der DDR ein Heiligtum. Ja, und so,

 

Stefan Petraschewsky:

Mhm.

 

übrigens heute noch, dass er, da hat sich nichts verändert. So, nur die Menschen sind älter geworden, die dort leben.

 

Stefan Petraschewsky [0:10:36]:

Und die Busse kommen aus dem Westen aus, aus. Äh… äh… Was ist das da?

 

Matthias Brenner [0:10:43]:

Mmm. Fulda. Fulda, Coburg

 

Stefan Petraschewsky [0:10:44]:

ist also dann sehr grenznah

und dadurch ähm, fahren eben sozusagen die West-Abonnenten da gerne hin in das schöne Theater.

Matthias Brenner:

Ja.

 

Okay, gut, aber Annaberg-Buchholz war für dich eine gute Zeit.

 

Matthias Brenner [0:10:53]:

Es war eine gute Zeit. Ja, weil es erstens, um mit dem Film „Sonnenallee“ von Leander Hausmann zu sprechen: „Ich war jung, und ich war verliebt.“ Dadurch war es auch, äh, natürlich schön, äh, dass man sich diese Zeit… Wir hatten das Gefühl, wir konnten das für uns erobern. Ähm. Wir. So. Wir hatten das Gefühl, wir konnten machen, was wir wollten. Es war natürlich nicht ganz so. Aber das Gefühl hatte man zumindest. Also, so. Gab auch einen Vorfall zum Beispiel: Das wir einen… Äh… Ich hatte die Idee mit einem Kommilitonen, also dann einem Schauspielkollegen, äh, zusammen, dass wir unveröffentlichte Texte der DDR und unveröffentlichte Texte der Nazizeit, äh, nehmen. Also, äh, und natürlich konträre Texte wie von Theodor Kramer und Gottfried Benn, die zu einem Gemix zusammen machen, was wir Weltreise nannten. Damals war Wenzel Mensching, hatten wir da viel drin, äh, aber auch Klabund hatten wir drin, Heiner Müller hatten wir drin, äh, und das war eine ganz spannende Nummer, und es hat einen Riesenspaß gemacht und, äh, die haben uns machen lassen. Und dann kamen die Bezirksleitung der SED, eine, ein Delegierter, äh, und hatte natürlich auch den…Er sagte nicht: „Das ist verboten.“ Ja, er sagte nur, äh: Wir sollten erst mal daran weiterarbeiten, äh, die Gesellschaft sei noch nicht ganz so weit. Also so. Äh. Also, so ein Argument. Wir haben uns krank gelacht darüber

 

Stefan Petraschewsky:

Mhm.

 

und hielten das für einen Witz. Aber dass sich dahinter die Formel verband: Wir möchten das jetzt nicht sehen. Ja, das war uns nicht ganz klar und offensichtlich auch dem damaligen Intendanten nicht. Wir haben uns noch 14 Tage Zeit genommen, mehr, und haben es dann gezeigt.

 

Franka Kahl [0:12:34]:

[lacht]

 

Stefan Petraschewsky [0:12:29]:

Und der Bezirk war ja damals Karl-Marx-Stadt,

 

Matthias Brenner [0:12:32]:

Karl-Marx-Stadt, ja. Mhm.

 

also Chemnitz. Da musste also jemand quasi den ganzen Erzgebirgskamm hoch? Das, äh, lag so ein bisschen im Windschatten, ne?

 

Matthias Brenner [0:12:40]:

Ja.

 

Stefan Petraschewsky [0:12:41]:

Und das Schöne ist, das wusste ich nämlich auch nicht, dass in der Zeit, äh, Franka Kahl auch in Annaberg war und sie hat dich erlebt.

 

Matthias Brenner [0:12:49]:

Ah!

Und jetzt möchte ich fragen, wie war’s denn? Wie war das dann? Wenn da zehn Leute aus Berlin kommen in die, ins Erzgebirge.

 

Franka Kahl [0:12:50]:

Ja, also ich war, ich bin unter anderem im Erzgebirge aufgewachsen, in der Niederlausitz und dann später im Erzgebirge. Und in der Zeit als, äh, Matthias Brenner, äh, dort als Absolvent war, war ich im Theaterjugendclub des Annaberger „Eduard von Winterstein“-Theaters.

 

Matthias Brenner [0:13:09]:

Genau.

 

Und im Prinzip, Sie waren mein Held.

 

Matthias Brenner [0:13:14]:

Oh je. [Lachen]

 

Franka Kahl [0:13:14]:Ich hab sie erlebt im Urfaust und in vielen anderen Inszenierungen, und es war sowieso. Es war eine unglaublich aufregende Zeit für… also ich bin da in so einem Dorf zwischen Oberwiesenthal und Annaberg in Bärenstein aufgewachsen, und, ähm, da hatte man das Gefühl, man ist abgeschnitten von allem, was einen interessiert. Und man gehört auch zu diesen ganzen Zugezogenen, gehören zum Bergvolk eh nicht dazu. Und so. Und da war das Theater für mich in meiner Zeit als Jugendliche so die, der Rettungsanker. Und ich habe da alles aufgesogen, was da stattfand in dieser Zeit. Und es war so, es, man merkte so, dass in diesem Theater. Also das erste Mal, als ich dort war, mit meinem Vater, war ich in irgendeiner dämlichen Operette. Aber es war trotzdem… Für mich ging der Vorhang auf und es ka-, war so irgendwie, wie bewegte Menschen in einer Puppenstube. Und da dachte ich: Was ist das?

 

Matthias Brenner:

[lacht]

 

und so. Und dann kam aber diese Absolventen Klasse, und auf einmal wusste man, da geht jetzt unglaublich was los. Die kommen, die wirbeln da das ganze Theater auf. Und wir waren da, also, ich war, habe da alles gesehen, auch diese Theatertage, dann war doch immer so ein Festival, da war… Pankow… Karls Enkel… Da war… Theater der Freundschaft… ikke bin noch ikke und …

 

Matthias Brenner [0:14:21]:

Pankow war da. Karls Enkel war da. [unverständlich] Ja.

 

Franka Kahl [0:14:28]:

Alle so‘ne Sache also, das war so aufregend, weil man merkte, jetzt sind da junge Leute, die bringen hier das Ganze. Da kommt so ein neuer Wind rein. Und das sind so Sachen, die habe ich noch nie gesehen. Und eigentlich war das für mich prägend diese Zeit, dass ich auch ans Theater wollte, das habe ich Stefan auch gesagt, weil…

 

Matthias Brenner [0:14:53]:

[lacht] Ist ja geil. Das ist… Nina Trobisch, genau.

 

Franka Kahl [0:14:53]:

Bei Nina Trobisch, so hieß glaube ich die Dramaturgin damals, saß man zuhause und man… Irgendwie war es komisch, da waren, da gab es keine Schrankwand, und da gab es nur so altes… Die haben komische Platten gehört, die ich, von denen ich noch nie was gehört hatte und auch die Leute im Theater in der Kantine redeten ganz anders, als ich das bei mir zu Hause in meinem Elternhaus, äh, wahrgenommen habe. Und haben Welt ganz anders reflektiert, ganz anders gesprochen, über… ich hörte da Dinge auch zum ersten Mal. Und, und da dachte ich, das finde ich spannend mit solchen Leuten, das wie die… was sie für Überlegungen so anstellen und wie die die Welt reflektieren. Das interessiert mich. Da will ich mit dabei sein. Ich will auch ans Theater. Das war für mich ein bisschen so eine

 

Matthias Brenner:

Puls.

 

Initiation. Mmm.

 

Stefan Petraschewsky [0:15:36]:

Es war so eine Art Fluchtraum. Ja?

 

Franka Kahl:

Absolut.

 

So ein, Schutz, ein Schutzraum wahrscheinlich…

 

Matthias Brenner [0:15:39]:

Ja, Schutzraum würde ich es nennen. Ja. Es war auch – Die Gedanken sind –

 

Stefan Petraschewsky [0:15:45]:

Ja, es war auch… Die Gedanken sind freier im Theater, in der Kantine als jetzt sozusagen in der Schule.

 

Matthias Brenner [0:15:51]:

Ja, wir haben da auch nie schlechte Erfahrungen gemacht. Das, äh – Also so was hast du da gestern erzählt. Ich habe davon gehört. Also nach dem Motto es wurde, es wurde weit, die haben uns damals… Ich sage mal jetzt die Jungs, die uns auch zu überwachen hatten, oder es mussten oder meinen zu müssen, haben uns in Ruhe gelassen. Das hat, das rührte man nicht an. Dieses, äh, das war… Dann rennen die alle in die Kirche. Das, äh, war der nächste logische Schritt. Und das war freier, das war damals, das freut mich natürlich sehr, dass so zu hören, dass es so eine tatsächlich dann auch diese Ausstrahlung hatte, die wir erhofften. Unsere Formel damals war, als wir runter nach Annaberg sind. Ich weiß noch die Bahnfahrt, die erste Bahnfahrt, wo wir zu neunt, äh, drinnen saßen und sagten: „Das erste, was wir machen, wir strömen aus. Wir gucken jetzt mal über Mittag. Was gibt es hier für Kneipen? Wo kann man sich hier, äh… Wo kann man andocken? In der Stadt?

 

Franka Kahl [0:16:40]:

Dann gab es das U-Boot.

 

Matthias Brenner [0:16:41]:

[Mit Nachdruck] Das U-Boot! Das war das Wichtigste für uns, das war, muss man sich vorstellen. Es war…in, äh, in der Kaiserzeit hätte man das genannt: Eine Kneipe für den dritten Stand, für ganz unten. Das war nur noch ein holzgebrettertes Ding. Äh, Dort wurde, äh das Bier war ja sowieso jut im Osten. Wurde gereicht, fertig. Bissl Bockwurst, das war’s. Und…

 

Franka Kahl [0:17:01]:

Es war sehr preiswert.

 

Matthias Brenner [0:17:01]:

Äußerst preiswert. Und ähh… Wir wussten, wir werden dort auf, auf dass Alkohol Proletariat stoßen und so. Und die haben uns adoptiert. Richtig in der Kneipe also. Wir hatten da eine unglaubliche Freiheit. Es wurde sie auch nicht geprügelt, wenn wir drin waren. Das war, werde ich nie vergessen, wie wir, wie ich an so einen Stuhl fasste, auf dem man saß. Was ist denn das hier? Das sind Metallwinkel? Natürlich, die Stühle waren alle verstärkt damit, wenn, wenn mal mit einem Stuhl zugelangt wird, dass er nicht gleich kaputt geht. Na, das ist so –  Das war einfach klar, so ein Ding. Das gab es auf der ganzen Welt. Es hat sich nie verändert. Und ich weiß noch, wie irgendeiner nen Frust kriegte, reinkam und jemanden mal n paar aufs Maul hauen wollte. Da ging jemand dazwischen. „Nish, die Jungs vom Theater sin hier.“ Ja? So. Man wollte sich dann auch nicht blamieren. Und es gab, wir haben auch manche Premierenfeier da gemacht, wenn wir sie im Haus nicht lange genug hinkriegten oder sowas. Oder, ich weiß noch, wie ein Geburtstag eines Abschnittsbevollmächtigten gefeiert wurde, der in Zivil kam, weil der diese Kneipe in Ruhe ließ, weil er sie nicht kontrollierte.

 

Franka Kahl [0:18:04]:

Wir haben unseren letzten Schultag dort gefeiert.

 

Stefan Petraschewsky [0:18:07]:

Abschnittsbevollmächtigte, das müssen wir –

 

Matthias Brenner [0:18:04]:

Hä? Abschnittsbevollmächtige, das war so-

 

Stefan Petraschewsky:

Abschnittsbevollmächtiger ist erklärungsbedürftig.

 

Matthias Brenner [0:18:08]:

Das war, das war ein Polizeidienstgrad oder eine -dienststellung. Das war so eine, so von der Volkspolizei jemand, der einen bestimmten Abschnitt hatte, wo er für Ruhe und Ordnung zu kontrollieren hatte oder auch zu denunzieren hatte. Und so. Die waren sehr unterschiedlich. Die waren im Osten belächelt, weil sie seltener gefährlich waren, weil sie hatten keinen äußerst großen Machtbereich, äh, aber so einen Petzbereich. Und das, äh, machen die meisten nicht. Die machten das einfach nicht.

 

Stefan Petraschewsky:

Mmm.

 

Weil, äh, die wollten ja weiterleben. Also so, äh, wollten sie auch gut, und so. Sowas war das. Und Annaberg gehörte dazu, dass wir bis hin, dass wir selbstverständlich in die Ostermesse gegangen sind. Wir sind selbstverständlich in die, an der Kirche in die Weihnachtsmesse. Das haben wir gemacht. Wir hatten auch einen guten Kontakt mit damals den Kirchenleuten also so. Und äh, äh, wir hatten auch in den Sportverein Kontakt. Also wir haben alles versucht, in uns zu kriegen, was da in irgendeiner, was in dieser Stadt wichtig zu sein scheint.

 

Franka Kahl [0:19:04]:

Und ich hab da, und und als Jugendliche hat man das alles aufgesogen, weil man irgendwie sonst keinen Input hatte so fand ich. Und, äh…

 

Matthias Brenner:

Mhm. Ja.

 

Stefan Petraschewsky [0:19:12]:

Also Kirche war Ja, wir reden jetzt über die 80er-Jahre in der DDR. Die Kirche war da schon wichtig.

Ja.

 

Also es gab, ich als Wessi weiß das. Man, man guckt im Fernsehen in den 80er-Jahren. Ich glaube in Berlin ging man in die Gethsemanekirche.

 

Gethsemanekirche, Zionskirche, ja.

 

Auch hier in Leipzig. Die Friedensgebet in der Nikolaikirche, ne, das war schon, äh, wichtig sozusagen.

 

Das war wichtig, ja.

 

Das war wichtig als Ort des anderen Denkens, der Freiheit. Und da kam ja auch dann, dieser Impuls her. Und was sich jetzt…

Das war – ! Ja!

Ne, du wolltest noch was sagen.

 

Matthias Brenner [0:19:45]:

Ne, ich war eigentlich durch. Ich freue mich bloß, dass ich einen Zeitzeugen bei mir sitzen habe. [lacht]

 

Franka Kahl [0:19:52]:

[lacht] Ja das hat, das hat mich dann auch total gefreut. [Beide Lachen] Dass ich das loswerden darf. Aber das hat ja auch etwas damit zu tun, dass die Kirche, die hat ja Raum gegeben für diese ganzen… Also ich bin mit Kirche erst in Berlin in Kontakt gekommen, oder so. Als ich dann nach Berlin ging, 1987. Aber – ja. Und, aber sonst hat es für mich überhaupt gar keine Rolle gespielt. Aber das hat mit meinem Elternhaus zu tun, so total atheistisch. Meine Mutter ist einmal in die Annenkirche gegangen, zu Weihnachten, weil sie eine Ehekrise hatte und heulte dann in einer Kirche. Und ich dachte, was ist? Warum? Also, ich habe das mit der Kirche in Verbindung gebracht, aber nicht mit der Ehekrise meiner Eltern. Aber das ist, so und äh, dieses- Aber dass die, die Kirche so einen großen Raum gab, auch Leuten, die also so von’ner, von‘ner Friedensbewegung und oder von der Umweltbewegung und so, das war ja in Berlin ganz wichtig. Oder ich, äh, später, ein Freund der hat mir gesagt, das war… Kirchenkreise waren immer irgendwie, da gab es immer, äh, die haben ja auch Bands, äh, zum Beispiel Raum gegeben. Punk Bands haben auch in Kirchen geprobt zum Beispiel.

 

Matthias Brenner [0:20:57]:

Mhm.

 

Ein Freund von mir der war inner Punkband in Berlin. Die haben in einer, die haben inner Zionskirche da geprobt oder sind, haben da Konzerte gemacht, die nirgendwo anders sonst hätten stattfinden können.

Stefan Petraschewsky:

Mhm.

 

Also die, die die Kirchen haben einfach unglaublich ihre Räume geöffnet für Leute, die sonst kein Ort gefunden haben in der Gesellschaft.

 

Matthias Brenner [0:21:19] :

Genau, wir hatten, wir hatten, äh, Freunde in, äh, Annaberg, die mit der Kirche sehr organisiert waren. Dadurch kam das zustande, äh, Die auch, uns, uns sehr unterstützten, äh… In Erfurt spielte das eine viel gereiztere Rolle schon später,

 

Franka Kahl [0:21:34]:

Mhm.

 

äh. Ich rede jetzt von Mitte der 80er-Jahre,

 

Stefan Petraschewsky [0:21:36]

Mhm.

 

ähm, da ist dann so etwas passiert, dass mich dann der Parteisekretär des Ensembles, ein, ein gutherziger Mensch, in der Kantine zur Seite nahm und fragte mich, was ich in der Kirche mache. Ja, dass ich dort eine Art Seminar gemacht habe über improvisiertes Spiel oder so was.

 

Franka Kahl [0:21:54]:

Ja.

 

äh, war ja natürlich klar. Aber die Kirche hat dann auch in Erfurt, das kriegte eine immer dichtere Bedeutung,

 

Stefan Petraschewsky [0:22:01]:

Mmm.

 

und es wurde immer irgendwie leicht öffentlicher, äh, weil die Kirchen überschwappten. Und dann hat er mir ab spätestens, sagen wir mal ab dem Fall Biermann 76, ähm, und auch später in dem, äh… Tschernobyl?

 

Franka Kahl [0:22:16]:

Ja.

 

Ja, äh, äh, Tschernobyl 86, ne?

 

Unbekannte Person:

Ja.

 

Äh, äh, 86 kriegte das noch mal eine ganz andere Bedeutung. Frage auch wie wir mit Umwelt umgehen, und das war die große Stunde auch, äh, denke ich für sehr kluge Leute in der Kirche. Äh, ich bin auch ähnlich wie du atheistisch aufgewachsen,

 

Franka Kahl:

Mhm.

 

äh, ähm, mit sicher in irgendeiner Weise über das eigentlich fast erlaubte Maß auch für uns im Theater hinaus zu engagieren. Da musste man dann schon sich entscheiden. Das konnte dann auch ich würde…das Wort gefährlich ist zu viel. Aber es konnte unangenehm werden.

 

Franka Kahl [0:22:48]:

Also sich mit Kirchenkreisen einzulassen, war immer irgendwie, äh, etwas beobachtet. Also hier in Leipzig. Ich war ja hier. Ich habe 88 bis 92 in Leipzig studiert, also gerade in dieser Wendezeit,

 

Matthias Brenner:

Mhm.

 

und wir sind, wir hatten die Order, nicht in die Nikolaikirche zu gehen, nicht diesen Antrag vom Neuen Forum also äh, nicht diese, das zu lesen, zu unterschreiben, nicht Montags hier zu den Demos zu gehen, nicht in die Nikolaikirche zu gehen. Wir haben aber – Ich habe damals Journalistik studiert. Und, äh… Und, wir hatten dann so eine Initiative, dass wir von der Journalistik, die ja als das rote Kloster verschrien war, äh, zu DDR-Zeiten. Ähm, wir haben mit Kirchenleuten Kontakt aufgenommen. Und haben uns mit Leuten von der Kirche, also Jugendgruppen von der Kirche. Wir wollten, die, das zusammenbringen, und ich kann mich ganz genau erinnern, dass wir da das ist da in der Nähe von. Na, wie heißt die Bachkirche, da, mm?

 

Claudius Baisch [0:23:51]:

Thomaskirche.

 

Franka Kahl [0:23:51]:

Thomaskirche, ja. [lacht] Dass wir da, das war da in einem Gebäude, da sind wir rein, und da sah man ganz genau: Aha, da sitzen die Herren mit den grauen Mänteln da drüben, die gucken – also Stasi-Leute – die gucken jetzt, wer geht hier rein? Also, das war uns auch klar. Das war dann schon 89 das war ja, relativ kurz, fast schon Wende. Aber –

 

Stefan Petraschewsky [0:24:12] :

Ich glaube, wir müssen ein bisschen auf die Tube drücken.

 

Franka Kahl und Matthias Brenner:

[gemischt] Mhm. Ja.

 

Wir hängen ja noch in den 80ern fest. Trotzdem noch drei Sachen. Erstens Annaberg ist durchaus mal eine Reise wert. Das ist eine interessante Stadt im Erzgebirge mit einer großen Weihnachtstradition. Da kann man sich diese ganzen Schnitzereien in einem tollen Museum angucken. Haus der Träume oder irgendwie, so heißt das, äh,

 

Franka Kahl:

Es gibt da ganz – [unterbrochen]

und es hat natürlich ganz viel Silberbergbau. Und es gibt diese Bergparade. Ich glaube immer am 21.12.

 

Franka Kahl:

Wenn man sich [unverständlich]…

 

Mal sehen, ob das in diesem Jahr stattfindet. Also auf jeden Fall ist das jetzt keine komplette Pampa

 

Franka Kahl [0:24:45]

Adam Ries. Kommt da her.

 

Stefan Petraschewsky [0:24:45]:

Adam Riess kommt da her.

 

Franka Kahl [0:24:49]

Es gibt ein Museum zu Adam Ries. Es gibt die Carlfriedrich Claus Gesellschaft, ein wichtiger Künstler, äh, den man eigentlich kaum beachtet hat.

 

Stefan Petraschewsky [0:24:55]

Okay. Äh, zweitens wäre das, wen das interessiert, diese 80er-Jahre. Da kann man, glaube ich, gut, Christa Wolf lesen. Kassandra, äh, habe ich selber also, das fand ich ziemlich interessant, sodass es so Nato-Doppelbeschluss, diese Aufrüstungsgeschichten,

 

Matthias Brenner [0:25:12]

Ja, das ist die Zeit dort. Genau, [unverständlich] Nato-Doppelbeschluss [unverständlich…]

Und dann aber auch später „Kein Ort nirgends“ ist auch dann in diesem Kontext interessant.

 

Matthias Brenner:

Ja.

 

Und Tschernobyl, das war ja sozusagen das also, das ging vor Fukushima. Wurde er, dieser russische also heute in der Ukraine oder sowjetische muss man sagen, heute in der Ukraine, wo der Reaktor, äh, hochgegangen ist und es zum damals GAU. Und GAU heißt größter anzunehmender Unfall, also von dem Mega-GAU zu reden ist eigentlich Quatsch. Es gibt bei, der größte ist der größte. Ein mega größter gibt es eigentlich nicht.

 

Matthias Brenner:

[lacht]

So, und Erich Honecker hat glaube ich gesagt. Also, man darf, äh, man durfte in Schweden keine Pilze mehr pflücken, die waren verseucht. Erich Honecker hat gesagt „Ist ja nicht so schlimm. Da muss man den Salat mal abwaschen vorm Essen.“ Ne? So war es glaube ich.

 

Matthias Brenner:

Original. Mhm.

 

Aber, das ist eben, das nur nebenbei.

 

Franka Kahl:

Aber auch erst eine Woche später, oder so.

Äh, Atomkraft. Ne, 86.

 

Matthias Brenner [0:25:59] :

Ich würde es, ich würde es bloß vervollständigen, nur weil du  nach der

Biografie gefragt hast, ich mach’s aber in 60 Sekunden. Ja, dann- Erstmal dann Erfurt. Dann kam die Wende. Dann war ich eine Zeitlang freiberuflich unterwegs, weil ich es einfach mal rauskriegen wollte, wie das, äh, wie es im Westen abläuft. Äh, so, ich bin aus dem Engagement rausgegangen, ganz bewusst. Bin dann später – es dauerte nicht lange. – Dann, äh, bin ich am Schillertheater angedockt. Es dauerte nicht lange, dann wurde es geschlossen. Dann war ich wieder frei, dann war ich in Leipzig eine Weile, äh, eine Zeitlang also, fünf Jahre immerhin.

 

Stefan Petraschewsky [0:26:28]:

Unter Engel? Das war die Engelzeit? [unverständlich] auch viel gemacht, oder?

 

Matthias Brenner [0:26:28]:

Unter Engel. Die Engelzeit. Genau. Äh, die Zeit war das… Und, äh – dann war ich zehn Jahre freiberuflich unterwegs als Schauspieler. Ähm, egisseur. Ein bissl Film spielt noch eine Rolle. Und dann bin, habe ich das Angebot oder die Anfrage oder besser gesagt die Nötigung bekommen von einem Ensemble. Bewirb dich doch mal bitte als Intendant, äh, für das Schauspiel in Halle, und das ist…Da bin ich jetzt das zehnte Jahr.

 

Stefan Petraschewsky [0:26:52]:

Und, ähm, Vertragsverlängerung, also das wird auch noch eine Weile so sein. Ne?

 

Matthias Brenner [0:26:53]:

Ja, ich habe einen Vertrag nochmal für fünf Jahre bekommen. Das finde ich fast schon unanständig. Also, so, dass man… Ich hätte nie gedacht, dass ich 15 Jahre an einem Ort bleibe. Das ist nie mein Ding gewesen. Aber vielleicht geht es auch so aus. Ja, jetzt bin ich erst mal schon mal zehn Jahre da.

 

Stefan Petraschewsky [0:27:07] :

Wir kommen da noch auf diesen Punkt zurück, ähm, aber was, was, was für mich jetzt so spannend war. Also, das sage ich jetzt nicht rhetorisch, sondern weil ich es wirklich so empfunden habe, wie ihr euch beide aufgeschaukelt habt in der Beschreibung dieser 80er-Jahre

 

Matthias Brenner:
Mhm.

 

und die Bedeutung des Theaters inklusive allem, was dazugehört.

Franka Kahl:

Mmmm.

Sprich: das U-Boot, die Kneipe, der Stuhlwinkel und so weiter. Und dann kam die Wende, wie?

 

Matthias Brenner und Franka Kahl:

[gemischt] Mmm. Mhm.

Wie war denn sozusagen, wie? Wie habt ihr das Theater erlebt? Ja, jetzt frag ich aber wir. Wie habt ihr… also eigentlich haben wir es ja geteilt. Aber okay, Matthias, wie, wie hast du denn das Theater erlebt? Dann, nach dem, äh, nach dem, nach der Maueröffnung, nach dem 09.11.89.

 

Matthias Brenner [0:27:50] :

Ich habe damals inszeniert. Ich habe damals die, äh, von Nicolaj Erdmann, einem russischen Juden, eine „Selbstmörder“ inszeniert

 

Franka Kahl:

[lacht]

und bis zum Mauerfall hat das alle Schauspieler interessiert. Komplett. In dem Moment, wo die Mauer gefallen war, war man im Prinzip, ist das jetzt nicht alles vorbei, und ich fand das gar nicht, weil das Stück ein großes Prinzip hat und uns darüber hinaus erzählt, über, in der NÖP,

 

Franka Kahl:

Mmm. Ja. Der Neuen…

 

der Neuen Ökonomischen Politik. Der Großteil der Sowjetunion entstanden in den 30er-Jahren. Egal, anderes Ding. Aber der.…ähm.. Ich weiß noch, wir hatten am äh… neunten, an dem Abend, war keine Vorstellung, war eine Probe. Äh, ich habe das auch verpasst, weil ich mich mit einem Kollegen alkoholtechnisch gestritten hatte, ähm, über wann die Mauer auf macht und was das bedeutet. Wir ließen das Radio in der Kneipe abschalten, weil es uns so auf den Nerv ging.

 

Franka Kahl:

[lacht]

 

Und als ich dann morgens, äh, aufgewacht bin, zur Probe wollte, sagt eine Kollegin: „Willst du wirklich?“ Wir wohnten alle zusammen, so eine Art Wohnheim. Und dann machte sie einen Türflügel auf, und dann war ein kleiner Fernseher. Junost [lacht] hießen die Dinger. Und da sah ich die Leute mit den Beinen auf der Mauer baumeln. Und dann dachte ich alles klar, es hat geknallt. Wunderbar. Ähm, ich gehe jetzt in die Kaufhalle. Hol Sekt. Wir treffen uns auf der Probe und, äh, stoßen erst mal darauf an und, äh, es entstand ein unglaubliches Streitgespräch über den weiteren Umgang mit der Inszenierung. Abends hatten wir Vorstellung „Faust“, äh, äh… Ne Inszenierung von mir. Wir hatten schon das Gefühl, es kommt keiner. Die, die Hütte war rammelvoll. Es war noch mehr als…, weil die wollten wieder wissen, wie wir jetzt dazu stehen.

 

Stefan Petraschewsky [29:28]

Das war in Erfurt.

 

Matthias Brenner [29:34]

Erfurt. Die wollten wieder wissen, was wir meinen zu dem Vorgang, der jetzt nachts passiert war, also sozusagen, es riss im Grunde genommen erst mal gar nicht ab. Das kam bisschen später, erst im Frühjahr nach den ersten deutschen freien Wahlen,

 

Franka Kahl:

Mmm, mmhm.

 

DDR freien Wahlen, 18. März und vor der Währungsunion. Da kriegte man dieses Loch mit. Äh, da war ein richtiges Vakuum entstanden, weil es, äh.. es gab schon alles, allerdings auch für Ostmark. Es…Auf den Märkten waren, wurden die Nürnberger, äh, äh, Bratwürste verkauft, keine Thüringer mehr. Ich will jetzt auch wie der eine Bratwurstbrater, der Thüringer, Kumpel von uns, mit einem verbrannten Gesicht in die Kneipe kam, weil die ihn in sein eigenes Feuer niederdrückten, weil er das nicht zu verkaufen hatte. Es ging. Es war, es war eine ganz komische Zeit. Es wurden Autos auf dem Marktplatz verkauft. Ich weiß noch, Ford Fiesta wurde ohne Ende verkauft, also es wurden Verträge gemacht, und alles das. Und die konnten die Autos am nächsten Tag mit Radio mitnehmen, wussten aber nicht, dass sie das alles mal vielleicht gar nicht bezahlen können. Es war, und das war die Zeit, wo wir keine Chance hatten. Wo im, wo die Theater, als,

 

Stefan Petraschewsky [0:30:43]

Wie hat, wie [unverständlich] –

Matthias Brenner [0:30:43]

als Theaterleute. Nee, es war leer! In dieser Zeit war, war wie der Stecker gezogen. Das war erst zeitversetzt, äh, dass das zustande kam. Ähm, so ungefähr im Winter, dann darauf füllten sich die Häuser wieder. Äh, aus, aus, ähm… Und es war ja ein ähnliches, fast gleiches Publikum wie vorher. Bloß mal kurz durch ein Vakuum gegangen. Man sah sich so wieder wie, als wäre man durch ein Ungelände gegangen, miteinander oder jeder für sich und trifft sich dann, und fragt sich, wie hast du die Scheiße erlebt, jetzt, oder wie geht es dir? Was machst du jetzt? Ne? Diese, dieses wieder Andocken an die Biografie, äh, fand dann statt. Äh, und das hielt sich eine ganze Weile, aber es war natürlich, ich sage mal an meinen Kollegen der Kabaretts. Ulf Annel damals, der sehr tapfer dieses, dieses, diese… äh, äh… dieses Kabarett leitete. Ich komme verdammter Weise gerade nicht auf den Namen. Ah, „Arche“. Und, ähm, die waren von einem Tag auf den anderen leer. Hoffnungslos. Auch in der Folgezeit, weil sozusagen der knappe kurze Ostwitz natürlich nicht mehr funktionierte, weil die Grundverabredung: „Die Gesellschaft ist Scheiße, wir treffen uns hier, um über sie zu lachen.“, war nicht da, denn es war noch nicht so erkennbar, was man jetzt, da, wo man das Lachen wiederfindet, miteinander, wo man diese Art der Kommunikation, die entstanden ist, diese Gen in sich, wieder löcken kann. Das war, äh, für die nicht gegeben, und das hat dann eine ganze Weile gedauert. Tatsächlich, bis, äh, ne Themenfindung, letztendlich eine Reizfindung da war. Und man muss einfach sagen, es, äh, in der DDR war es ein ganzheitliches Publikum, jung und mittel und so. Man ging auch ganzheitlich ins Theater. Es war dann so, dass sich später das Publikum erst mal sehr schnell – alterte. Die Jungen blieben eigentlich weg. Und so, und es kamen Dutzende an. Die Älteren, die auf Literatur setzen, auf Goethe, Schiller, sonstwas setzten, und auf die Sprachtraditionen, auf das, was sie erlebt hatten, in über 30 Jahren in DDR-Theater, sich das irgendwie wieder zu holen, das war, und das war – Und dann kamen die ganz Jungen, die die Enkel schon, aber dazwischen, das fehlte sehr, sehr, sehr lange Zeit.

 

Franka Kahl [0:32:50] :

Auch bis Mitte der 90er, ne?

 

Matthias Brenner [0:32:51]:

Ja.

 

Franka Kahl [0:32:52]:

Habe ich das so wahrgenommen, dass die Theater eigentlich Schwierigkeiten hatten mit dem Publikum, also jedenfalls an den Orten, wo ich mich da befand. Zumindest Mitte der Neunziger war…

 

Matthias Brenner [0:33:02]

Absolut, auf jeden Fall.

 

Franka Kahl [0:33:03]

Es war absolut halbe lee, halbe. Mhm. Ja.

 

Matthias Brenner [0:33:04] :

Ich, ich weiß, das Beispiel auch in Leipzig. In Leipzig war nix los. Nur war in Leipzig das Schauspielhaus, immer ein leeres Haus, wie mir später eine ältere Dramaturgin mal erklärte und mir die Kassenbücher der 20er und 30er-Jahre zeigte und sagte – die war Berlinerin, Ur-Berlinerin – „A‘ Matthias, da haste eigentlich immer Liegeplätze gekriegt in Leipzig. Auch bein Nazis, auch mal so.“

 

Franka Kahl:

Liege -! [lacht]

 

Das war, es sei denn, es gab kam ein besonderes Stück oder ein besonders im Osten verbotenes Stück wurde hier gezeigt. Oder das, Fujiyama,

 

Franka Kahl:

Ja. Ja.

ne, oder, äh, äh, „Meister und Margarita“, weiß ich noch. Aber da sind wir alle hingefahren, um das in Leipzig zu sehen. Aber Leipzig war tatsächlich so ein Haus, und ich weiß es noch wie heute. Das war so wie: Uh, jetzt geht eine andere Zeit los. Nicht, weil ich da mitspielte. Aber ich habe es deswegen erlebt. Als wir Baal machten.

 

Franka Kahl:

Mhm. Mmm.

 

Ähm, ich fragte den. Ich war Gast. Ich fragte den Mann vom, vom, von der Planung, KBB, äh, die Vorstellungstermine ab, die kriegte ich. Das waren neune. Und dann sagte ich: und wie geht’s weiter? Nach dem Sommer habt ihr schon? Das sagt er: Nö, das ist dann hier weg. Das ist dann reicht dann. Es wird nicht mehr geben. Also wenn man die einigermaßen nur so, haben wir Glück. Orh, dachte ich, ist ja hart.

 

Franka Kahl [0:34:12]

Aber es gab mehr, oder? Das war doch ein großer Erfolg?

Matthias Brenner [0:34:14]

Aha! Wir haben es fünf Spielzeiten gespielt dann.

 

Stefan Petraschewsky [0:34:16] :

Naja es war Konstanze Lauterbach, die war ja einigermaßen, also eigentlich deutschlandweit berühmt.

 

Matthias Brenner:

Ja! Ja. Genau.

 

Die hat dann auch Heiner Müller „Auftrag“ und solche Geschichten gemacht in Leipzig, „Die Räuber“, also, da sind die Leute schon gerne hingegangen. Wir waren damals ja auch Studenten und haben das gerne gesehen

 

Matthias Brenner [0:34:29] :

Ja. Bei „Baal“ war noch ein besonderer Umstand, das müsste man wissen. Wir spielten ja, das Ost-Theater spielte in den sogenannten Sendungen des öffentlich-rechtlichen keine Rolle. Im ZDF Aspekte war irgendwie, als hätte es im Osten, empfunden, nie Theater gegeben. Und ich weiß noch, äh, die, die Premiere von Baal war einigermaßen gut verkauft. Die zweite Vorstellung ging so. Also das war schon so, das las sich so ab, und plötzlich war, äh, ZDF da, machte am Donnerstag sendeten die und machten Dienstag, Mittwoch machten die ein, äh… Bericht darüber. Und plötzlich dachten wir sehen nicht richtig. Da waren wir einem 20 Minuten Block in dieser damals 45 Minuten-Sendung, einen 20 Minuten Block über „Baal“, über Brecht, über Leipzig, über den Osten. Und dann klingelten die Telefone aus aller Herren Bundesländer. Also weil das Interesse dann da war und damit war, wie so ein Sprung. Und jetzt wussten wir, eine Sache wird funktionieren. Zum Beispiel, was man mitnehmen kann aus der Zeit ist Bertolt Brecht, äh, das, das n’en völlig, das wurde mir erst da klar. Der uns ja fast schon überkochte im Osten.

 

Franka Kahl:

Mhm.

 

Das kriegt eine Renaissance. Während Heiner Müller das gar nicht wahr, während Heiner Müller erst mal gar nicht so gebraucht wurde.

 

Franka Kahl:

Nee, überhaupt nicht.

 

Ja, aber Brecht wurde irgendwo gebraucht, das hatte man mitgekriegt. Das war auch irgendwie für viele aus dem Westen im Osten verortet.

 

Stefan Petraschewsky [0:35:53]

Mmm. Ja, das Berliner Ensemble, klar Ost-Berlin und so weiter.

 

Matthias Brenner [0:35:55]

Genau, obwohl das schon die Schaubühne das schon sehr pflegte, in den 60er und 70er-Jahren. Also so, das ist… Aber es war spannend, dass uns das wie das Ampelmännchen oder eine Rechtsabbiegepfeil, äh, äh, ein Auto aus dem Osten. B. Brecht. Ja, also so. Und das war’s ja nicht. Das war, ging alle an. Jetzt kriegten wir mit, dass es anderes kosmopolitisches Denken geben muss, auch in uns. Wir mussten ja auch umrüsten im Kopf. Wir hatten es ja gut! Wir brauchten nur zeitkritische Texte zu nehmen, die einigermaßen auf’m, nicht auf dem Index standen. Und los ging’s. Ja, wir spürten, wir fühlten ja gar nicht, dass wir Dürrenmatt nicht aufgeführt haben.

 

Franka Kahl:

Mhmm.

Zum Beispiel gehörte nicht zum Subvertrieb, der Subvertrieb war so etwas wie Subventions Vertrieb. Ein Verlag, der alles einsammelte, das alles bezahlte. Und da war Dürrenmatt eben mit dem Arche Verlag damals nicht dabei. Also so. Es war auch interessant. Annaberg. Das waren, da bin ich heute noch stolz drauf,

 

Mmm.

 

dass ich dem Arche Verlag geschrieben habe,

 

Mhm!

 

ganz privat, persönlich, mit Handschrift. Ob sie uns nicht 40, Textbücher von „König Johann“

 

Ja.

 

von Friedrich Dürrenmatt übersetzt nach Shakespeare.

 

Mhm.

 

Weil, ähm, ich habe nur geschrieben, gelogen. Das ist vergriffen. Also ich musste irgendetwas schreiben, weil wir da eine Mangelwirtschaft sind, dachte ich, glauben die mir das. Ja? Und der Arche-Verlag schickte tatsächlich an mich ganz privat 40 Textbücher, und wir konnten das Aufführen ohne Geld. So am Subvertrieb vorbei, hat nie jemand gemerkt. Wir haben es gespielt. Ich habe es dann später in Akten erst gelesen.

 

Ach so! [unverständlich]

 

Da war es dann doch drin. Aber.

 

Stefan Petraschesky [0:37:27] :

Ich würde noch einmal, würde, ich würde noch mal nachfragen wollen. Also es gab sozusagen die Wende. Dann gab es sozusagen relativ schnell dieses Loch, wo die Leute auch erstmal wahrscheinlich andere Dinge zu tun hatten, nämlich einen Ford Fiesta auf dem Marktplatz zu kaufen.

 

Matthias Brenner [0:37:40]

Genau, wir aber auch. Mhm.

Stefan Petraschewsky [0:37:41]

Und dann wollte man aber auch den Westen sehen und so weiter. Und dann gab es diesen, diesen Moment der Vergewisserung. Wie habt ihr jetzt Corona überstanden? Könnte man fast sagen.

 

Matthias Brenner [0:37:51]

Man könnte man sagen, das ist so um die Winterzeit entstanden. Ja.

 

Stefan Petraschewsky [0:37:55]

Und dann sind die Leute wieder ins Theater gekommen. Und was mich aber noch mal da interessiert ist: Konntet ihr Theater machen endlich ohne Maulkorb? Oder ist es jetzt so naiv und doofe Sicht? Was ich gerade sage. Hattet ihr den Maulkorb nie auf.

 

Matthias Brenner [0:38:05] :

Äh, wir – Ich weiß noch mal einen ersten Satz, wunderbar. Wir können ganz andere

Sachen der Weltliteratur jetzt spielen. Das war eine meiner ersten Reaktionen, und die zweite Reaktion war und die Welt – weil ich Rotwein Verehrer bin – und die Welt steht mir offen was Rotwein betrifft. Also, das war so, ne? Und ich habe dann ganz viele schlechte Rotweine kennengelernt, äh, weil ich einfach das …mir keiner mehr helfen konnte bei dem Angebot, so, und ich meine Erfahrungen machen musste. Und genauso ging es auch mit einem Theater. Äh. Dieses Maulkorb-Abziehen war gleichzeitig: Und nu? Was machst du denn jetzt? Was ist denn jetzt wichtig? Was ist jetzt dringend oder so etwas?

 

Stefan Petraschewsky [0:38:43] :

Also die gesellschaftliche Relevanz hatte Theater mit der Wende verloren?

 

Matthias Brenner [0:38:47] :

Ich wollte mal sagen, es gibt ja heute diesen Begriff der Relevanz, der mich sehr verletzt, also nicht verletzt, weil die Politiker uns teilweise ignorieren. Äh, damit meine ich doch haben wir eine Relevanz, weil wir offensichtlich nicht in der Relevanz stehen. Werden wir nicht so gefördert, weil es irgendwo auch schwierig kön-, sein könnte mit uns. Das ist ein ähnlicher Reflex. Im Osten fühlten wir uns komplett relevant, aber das hat ein Publikum entschieden. Dass wir relevant waren. Niemand anders hat das entschieden. Und ich fürchte mich vor dem Moment, wenn eine Kultusministerin vors Pult des Bundestags tritt, um ein Gesetz durchzudrücken, dass Theater oder, äh, äh, Kunst oder so was relevant wäre. In dem Moment ist es genauso. Das, ähm, kommt mir genauso in die Krise wie im Rassismus. Äh, dass, dass das sogenannte N-Wort eliminiert wurde per Gesetz, und man jetzt sozusagen, äh, POC sagt, statt, äh das N-Wort. Dass das gesetzlich festgelegt werden muss, zeigt, dass der Rassismus aktiv ist. Und ich glaube, wenn wir als Kunst, äh, in einem politische Verfassungsrelevanz gesetzt werden, haben wir verloren. Denn, äh, dann haben wir auch genügend Verfassungsgegner, also sozusagen. Ich glaube, das ist eine Frage der Selbstverständlichkeit. Und ich fühle uns, unsere Berufsgruppen nach wie vor relevant sowieso, weil das Zuschauer entscheiden, was ich scheiße finde und was ich nicht gut finde, ist, dass dieser Beruf äh Ku-, in den Künsten, als möglicher Erwerbsberuf komplett in Frage gestellt ist. Komplett. Und das ist, äh, sicherlich eine Zeit, äh, wo wir anders denken müssen, auch als Künstler, auch Macher, denn wir haben uns keinen Gewerkschaften angeschossen. Waren wir uns? Ich will jetzt mal als hier in den Kreis des Vorzeichen meint es nicht ganz so. Da waren wir uns ein bissl zu fein. Da waren wir so: Moment mal, wir sind doch wichtig. Also so, ne? Müssen wir ja nicht. Gab ja Angebote über den öffentlichen Dienst damals noch, und dann über Verdi. Es hat alles nicht funktioniert, bis sich dann die Splitterbewegungen bildeten: Netzwerk für Szenografen, für Schauspiel, BFFS, für Film und Fernsehschaffende. Und, ähm, das sind alles Bünde und Bewegungen, die keine juristische Kraft haben. Das ist das Problem. Und deswegen stehen wir so da. Und ich bin dann eher dafür, dass man sagt: Jetzt lasst uns doch mal unsere, unsere Spitzfingerigkeit weg, sondern uns einklinken in genau den Arbeitskampf wie alle anderen Branchen,

Stefan Petraschewsky:

Mmmm.

und uns organisieren. Und zwar gewerkschaftlich organisieren, weil wir Erwerbsleute sind. Und lasst uns mal nicht da soviel Künstler sein, das sind wir dann sowieso noch. Äh, ja. Mhm.

 

Stefan Petraschewsky [0:41:28] :

Okay. Äh. Geht’s noch? Oder sind wir zu schnell oder zu langweilig?

 

[Lachen]

 

Stefan Petraschewsky [0:41:37] :

Okay, ich guck grad, da kommt ein Daumen, der „Like“ Daumen, zwei… Ja, okay, vielen Dank. Ähm… Nee wir machen noch weiter. Wir müssen nur gucken. Also wahrscheinlich so bis, bis um zwölf. Äh… Gesellschaftliche Relevanz. Ich, das fand ich ganz spannend. Ich habe gestern mit Franka telefoniert. Vorgespräch. Und da kamen wir auf den Punkt, wieso ist jetzt in der Corona-Krise, in den ganzen Verordnungen. Plötzlich redet man von Theater als Freizeiteinrichtung. Also nicht kulturelle Bildung oder Kultur. Es fällt so unter diese Freizeitschiene. Und Franka, was war deine Idee? Warum könnte das so sein?

 

[Geräusche von der Straße werden zunehmend lauter]

 

Franka Kahl [0:42:12}

Also, äh, wir hatten jetzt vor ein paar Tagen eine Vers-, Spartenversammlung. Weil da ging es darum, dass, äh, wir jetzt wieder in die Kurzarbeit zurückkehren, also weil es gibt keine Einnahmen im November. Wir müssen also wieder zurück in… Wir sind sowieso schon seit, seit April, glaube ich, in der Kurzarbeit. Aber wir waren jetzt kurz davor, wieder in die Vollzeit zurückzukehren. Und wir gehen jetzt wieder auf 16 Wochenstunden. Und mit 16…

 

Stefan Petraschewsky [0:42:38] :

Nur, nur ganz kurz, ist es jetzt zu laut?

Von draußen.

Weil wir überlegt haben das Fenster zuzumachen. Könnt ihr? Ist okay, ja?

 

Matthias Brenner [0:42:45]

Super, danke! [lacht]

 

Franka Kahl [0:42:47] :

Und es ging so, so das war der äußere Rahmen. Aber es kam natürlich dann der, der Gedanke auf, also war. Natürlich haben sich viele Kollegen, und es gab also ein Aufraunen, dass wir sozusagen mit dem Fitnessstudio und der Saunalandschaft in einem Atemzug genannt werden. Die Theater müssen auch für einen Monat zugemacht werden. Und, äh, weil alles, was der Unterhaltung dient, muss, eben mal Pause machen, um die Zahlen runterzukriegen. Und dann hatten, hat man, war bei uns in der Gesprächsrunde so die Frage: ja, warum? Warum sind wir denn in der Unterhaltungsschiene gelandet, als Theater in der Wahrnehmung der, in der Gesellschaft? Warum kann man, warum stellt sich Frau Merkel hin und sagt also das alles, was der Unterhaltung dient, das muss mal pausieren. Und so. Und, äh, eigentlich hat das Theater doch einen Auftrag der politischen und kulturellen Bildung. Als solches verstehen wir uns auch. Aber so. Und dann kam die Frage auf: okay, aber in den letzten Jahren waren die, war der Druck an die Theater so groß, also an den GmbHs. Einnahme, also Quote, also eine Quote zu bringen, um Eigeneinnahmen zu erhöhen, um die Ausgaben auf der personellen Seite, weil die, die, die, äh, die Gesellschafter, diese Subven-, was sie dazugeben, zum Theater. Das ist seit Jahrzehnten immer das gleiche Geld. Die Personalkosten steigen, die Betriebskosten steigen, und, äh, deshalb müssen die Eigeneinnahmen erhöht werden, damit man nicht den Hausver, -tarifvertrag noch enger schnüren muss. Und deshalb gibt es natürlich dann immer,

 

[Glocken läuten im Hintergrund]

 

die Lösung ist Unterhaltung, Komödie, Freiluft, Operette. Viele zahlen, viele zahlen damit die Eigeneinnahmen hoch sind. Und damit haben sich die Theater in den letzten Jahren eigentlich selber an den Punkt gebracht, dass wir als Unterhaltungsindustrie, sag ich mal, wahrgenommen werden. Und das ist jetzt der Bumerang. Jetzt kommt es zurück, und wir werden genau da verortet, wo wir uns hin bewegt haben in den letzten Jahren.

 

Matthias Brenner [0:44:54]

Also das finde ich sehr spannend, Franka, weil mein Kollege sagte zu mir mal ganz ironisch, es ist doch eigentlich ganz schön. Wir werden gerade geadelt, weil wir so viele Leute versammeln, sind wir ein Problem. Äh, so, ne?

 

Franka Kahl:

Ach so! Ja. Mhm. Mhm.

 

weil wir es so geschafft haben. Natürlich ist das was, was du sagst, spricht, spricht mir sehr aus dem Herzen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Frau Merkel so die Politik sich hinstellt und sagt wir müssen mal das Theater jetzt mal ein bisschen fertig machen. Wir beleidigen die jetzt.

 

Franka Kahl [0:45:16]

Nee, das ist passiert. Ja. [lacht]

Matthias Brenner [0:45:18]

Es ist einfach passiert und darin liegt die eigentliche Beleidigung, wenn man so will. Und ich glaube, dass es jetzt im Moment, das machen wir auch gerade. Das ist da sehr lautstark, dass wir, äh, Bildung…Ich hab, in in einem, äh äh, Dingensbummens, so einer Schaltung hier mit äh, äh, Politikerinnen, und ich habe jetzt vergessen den Anlass. Ist auch egal. Äh, nur gesagt dazu mal kurz, dass wir Anfragen von den Schulen kriegen, äh, können wir uns jetzt helfen, weil wir haben Schulschicht Betrieb, können wir etwas machen. Können wir zu euch rein? Äh, könnt ihr zu uns kommen? Wir hatten doch die und die.

 

Franka Kahl:

Aha.

 

Das Stück wollten wir doch. Schließung jetzt. Ne, wir haben die letzten Monate dicht, ähm. Das heißt so in dieser Art, dass es einfach ganz spannend wär, wenn wir uns als Bildung verstehen, hier miteinander, dem wir haben nächstes Jahr wieder Landtagswahlen und 2016 haben alle groß geguckt wie 24 Prozent AFD wählten. Und es hat was mit Bildungsignoranz zu tun, äh, ganz einfach und es… Ich weiß nicht, ob es uns gelingt. Aber ich glaube, wir werden es versuchen, hinzukriegen in der zweiten Hälfte November, aber dann für weitere Lockdowns, die sicherlich kommen werden, ähm, werden wir uns dahingehend rüsten, dass wir uns in das Bildungs-, als Bildungsprogramm, in die Bildungsprogramme einschalten. Ganz aktiv. Also auch deren Hygienekonzepte uns unterwerfen und nicht unsere alleine nur schaffen. Das ist…Aber ich sehe es genauso, äh, wie du. Ich finde das schon. Ich habe überhaupt nichts gegen Schausteller oder so was.

 

Franka Kahl:

Mhm. Mhm.

Überhaupt nichts dagegen. Aber wir sind keine Schausteller, und wir sind auch keine Musicalhäuser, die, äh, Kasse machen. Da sind wir alles nicht. Wir sind zu etwas anderem da.

 

Franka Kahl [0:46:57] :

Also, das war, das war zumindest der Gedanke unserer Schauspieldirektorin, die sich sozusagen darüber, Annett Wöhlert, die sich darüber Gedanken gemacht hat,

 

Matthias Brenner:

Mmm.

diesen, diesen Effekt. Die hat diese Frage so provokant gestellt. Also haben wir uns nicht, sind die Theater nicht selber auch ein, teilweise selbst dran schuld, dass wir jetzt nur als Unterhaltung wahrgenommen werden, weil wir uns in den letzten Jahren so… also,

 

Matthias Brenner [0:47:17]

Unterworfen haben. Mhm.

 

Franka Kahl [0:47:18]

Unterworfen haben, dieser, diesem Gebot der Quote. Zuschauer müssen rein. Also, so, also zumindest an den kleineren Häusern ist es fast noch dringlicher, als, als so –

 

Stefan Petraschewsky [0:47:29] :

Also das Seminar heißt ja „Theater in Ostdeutschland nach der Wende“. Und jetzt reden wir gerade über

 

Franka Kahl:

Über. Ja.

 

diese Unterhaltung, also über da, wann ging das eigentlich los?

Weil es gibt ja, äh, also das ist ja keine Sache der letzten drei Jahre, nehme ich an. Und ich weiß natürlich aus meiner Arbeit, dass man eigentlich schon sehr früh auch mit diesem Begriff Ostalgie operiert hat.

 

 

Matthias Brenner:

Mhm?

 

 

Ähm, ist das – ? Also, Ostalgie meinte ja, wir leben jetzt in einer anderen Zeit, die DDR ist weg. Aber trotzdem war es ja nicht alles schlecht. Es gab ja auch ein paar schöne Sachen, und daran erinnern wir uns jetzt mal. Und da gab es dann relativ viele Revuen, wo man dann irgendwelche DDR-Schlager, oder so- Und das setzte sozusagen irgendwann, ich weiß es nicht, in den Neunzigern wahrscheinlich an, oder ein. War das so? War das so die? Ist das so der, der Keim für diese Geschichte, dass man, dass man so auf diese Unterhaltungsschiene im Theater gerät?

[Glocken läuten im Hintergrund]

 

Matthias Brenner [0:48:30] :

Ja, könnte sein. Also auf alle Fälle wurde, ein gewisser Boden dafür ist bereitet. Aber den gab es in der DDR eigentlich immer, wie es immer ein Boden für heutiges Verhalten was die AfD betrifft gab. Äh, ich bin fest der Meinung, dass äh, sehr viel im Osten dafür, äh, bereitgelegt wurde. So wie es halt, so wie sich AfD jetzt versteht. Das fing ja mal in Hamburg anders an. Über die Wirtschaftskritik. Ähm, ich denke, es gab den Knackpunkt etwas später, den wirklichen. Es gab sone und sone. Es gab die halt gerne Revuen machte, machten. Wie hieß nochmal mein Vorgänger? Peter Sodann hat das ja, äh, zum Exzess betrieben,

 

Franka Kahl und Stefan Petraschewsky:

[gemischt] Mhm. Genau.

also überhaupt nicht, ähm, jetzt, ich möchte keinen Nachtreten, da habe ich kein Recht dazu. Es gibt aber auch die Passauer Festspiele. Also so. Es gibt so, man kann das, äh sehen wie man will… Es gab aber auch immer und immer Häuser wie in, äh äh, wie in, äh, Chemnitz, die sich immer auch um Alternativen, äh, Jena, bemüht haben, ähm. Aber, äh… oder, oder um alternatives Denken auch im Theater weiter bemüht haben. Da gab es viele. Ich glaube, als, ich glaube, es gibt einen Punkt. Als sich Herr Gönnewein von damals Baden-Württemberg Stuttgart und Lothar Späth, damals noch Ministerpräsident, zusammensetzten und das Modell aufbauten und Stuttgart Esslingen war, glaube ich, das erste Theater, was GmbH-isiert wurde. Da hat man das ausprobiert, ein anderes Wirtschaftsmodell zu finden, um vom Regiebetrieb loszukommen, damit nicht jeder Klo-Einbau im Stadtrat beschlossen werden muss. Wir wollten das bloß einfacher haben, aber natürlich mit einer, mit einem großen Vertrauensbonus, dass das wirklich nur eine juristische Form wird, aber alles, damit es einfach schneller geht und untereinander fachlicher laufen kann. Und dieses Modell wurde, weil es anfänglich vermeintlich erstmal funktionierte, von einigen anderen, ich weiß es von Mannheim, glaube ich, und äh, dritte Stadt hab ich vergessen. Alles noch zu Zeiten, bevor wir, äh, in die Einheit gingen, äh, übernommen. Und das wurde sehr schnell als Rettungsmodell, wie ein Rettungsschirm über Ost-Theater gelegt. Und, äh, jedes Theater wurde fast für blöde befunden, was sich nicht GmbH-isiert.

 

Franka Kahl:

Mmm. Mhm.

Das war sozusagen der Gedanke, sich wirtschaftlich freier, sich selbst Sponsoren und Mäzene holen zu können. Was aber nie klappte, im Osten, weil es keine Mäzene und keine Sponsoren gab, wie es auch keine Erbmasse gab in den Privatfamilien. Und ich glaube, dann wurde sich ganz schnell darauf besonnen. Ach, du Scheiße. Da müssen wir aber die Eigenanteile sichern. Ja?

Franka Kahl:

Mhm.

Und da ist der Quotendruck entstanden. Ich würde es so ungefähr schätzen, Ende der Neunziger würde ich schätzen, war der, die, die Freiheit zu gestalten, vorbei. Also dieser Zeitfenster war da, glaube ich. Und dann, am Ende der Neunziger, denke ich, würde ich einschätzen, war man im Prinzip festgelegt, und da gebe ich dir jetzt recht, und das wird, im Prinzip werden wir wirtschaftlich eingeordnet und nicht ethisch.

 

Franka Kahl:

Genau.

Und das ist der Punkt. Mm.

 

Stefan Petraschewsky [0:51:29] :

Okay, da will ich noch mal ganz kurz reingrätschen und, äh, sagen, also,

wenn man sich die Theater in Ostdeutschland anguckt. Und unten im Impressum steht es dann immer. Wer ist Träger dieser Theater? Da sind es inz-, -zwischen wirklich sehr, sehr viele Theater, die als GmbH orga-, organisiert sind. Das in Halle ist eine GmbH und das in Freiberg Döbeln, das mittelsächsische Theater ist auch eine GmbH.

 

Franka Kahl:

Ja.

 

In Leipzig sind es Eigenbetriebe, der Stadt, also keine GmbH. Und dann gibt es natürlich die, die Staatsbetriebe, also was das Staatsschauspiel Dresden ist oder die Semperoper, das sächsische Staatstheater. Also, das klingt jetzt ein bisschen technisch, das habe ich auch lange Jahre. Irgendwie hat mich das nicht interessiert. Äh. Aber es ist tatsächlich wichtig, um irgendwie zu verstehen, wie Theater funktionieren. Und dann kommt dieses GmbH-Modell. Der Stadtrat muss nicht übers Klo beschließen. Alles schön, aber dieses GmbH-Modell verlangt eine bestimmte Struktur. Es gibt einen Gesellschaftervertrag. Wer sind die Gesellschafter? Es gibt einen Aufsichtsrat. Hat die, die GmbH hat einen…Oder noch mal so. Die GmbH hat einen Geschäftsführer. Der Geschäftsführer haftet tatsächlich auch privat,

 

Franka Kahl:

Ja!

 

äh, dass der Laden gut läuft. Der Geschäftsführer ist also praktisch immer bestrebt, Quote zu machen. So, ähm, dann muss sich der Geschäftsführer rechtfertigen für sein Tun. Das gibt dann Geschäftsberichte und so weiter. Das ist wie beim, beim Mercedes Benz oder oder, äh äh, irgendwelchen großen Wirtschaftsunternehmen. Da gibt es einen Aufsichtsrat, und der Geschäftsführer muss sich vor dem Aufsichtsrat äh, äh, rechtfertigen, und sein Tun schildern. Und der Aufsichtsrat beschließt dann weiter so oder hier bissl anders. Oder. Und so. Ne? Das ist die Theorie, der Aufsichtsrat ist in der Regel politisch besetzt.

 

Franka Kahl.

Mhm. Mmm. Ja.

 

Also wir haben eine ein, ein äh, drei Träger, das ist, das ist die Stadt Döbeln, das ist die Stadt Freiberg und das ist der Landkreis Mittelsachsen. Die bestimmen dann mehr oder weniger den Aufsichtsrat. Wer sitzt jetzt im Aufsichtsrat in Mittelsachsen? Natürlich, die CDU, natürlich, die AfD. Franka, du weißt es wahrscheinlich besser.

 

Franka Kahl [0:53:47] :

Die sind, ja das sind, die sind, ist hauptsächlich, äh, CDU.

Also in unserem Aufsichtsrat sind sechs Leute, davon sind fünf CDU, aber zwei,

 

[Getränke werden im Hintergrund geöffnet]

 

die, wenn, wenn man jetzt den Gesprächen, ähm, in den öffentlichen Medien verfolgt, die auch offen sich für eine Zusammenarbeit mit der AfD aussprechen. Zwei CDU-Mitglieder, die, sage ich mal, auf die offen, auch öffentlich sich äußern.

 

Stefan Petraschewsky:

Mhm.

 

Also die Kommunalwahl war ja dieses Jahr. Nee, nee wann war denn,

 

Stefan Petraschewsky [0:54:16]:

Letztes Jahr.

 

Franka Kahl [0:54:17]:

dieses Jahr? Nee, letztes Jahr schon.

 

Stefan Petraschewsky [0:54:20]

Äh, März. Also in Sachsen. Die sächsische Kommunalwahl war ja im März oder April…

 

Franka Kahl [0:54:22]

Mm. Mm. Ja. Ja. Genau. Im Mai 2019 war die ja. Am 4. Mai war die, glaube ich.

Matthias Brenner:

Mhm.

 

Franka Kahl:

Mhm. Ja. Genau.

 

Stefan Petraschewsky [0:54:25] :

Also sozusagen. Das Interessante ist, äh, dass wir über dieses Konstrukt einer GmbH die Politik, Einfluss auf die Kunst bekommt. Und die Kunst ist ja laut Grundgesetz eigentlich frei. Und das ist, wie gesagt, der Vorgang der sowie Du das schilderst irgendwann so um, um das Ende der 90er-Jahre einsetzt und der eigentlich bis jetzt fortdauert. Und es gibt jetzt sozusagen verschiedene Probleme.

 

Franka Kahl:

Hmm.

 

Das eine ist sozusagen, was passiert, wenn sich die Politik da irgendwie einmischt und der, und der Geschäftsführer politisch agiert. Das ist der Fall Freiberg. Das können wir vielleicht später noch besprechen. Und dann gibt es aber das ganze GmbH Ding auch noch mal. Und das ging die letzten drei, vier Jahre doch heftig, glaube ich. Es wurde als Hallescher Theaterstreit, äh, äh gebrandmarkt,

 

Matthias Brenner:

Ja.

 

sozusagen, durch die Presse und dass das war auch eine GmbH. Aber da geht es nicht so sehr um die Politik, sondern um einen Geschäftsführer, der quasi dem Intendanten zu sehr ins Handwerk gepfuscht hat oder zumindest fuschen wollte. Matthias kriegst du das irgendwie in drei Minuten? [lacht]

 

Matthias Brenner [0:55:27] :

Ja, das kriege ich gerade, das kann man eh jetzt aus dem Abstand leichter, äh, äh, kann man das besser erklären. Ähm, natürlich sind die Geschäftsmodelle oder unser Geschäfts-Ordnungsmodell ist ein bisschen schieflagig geraten, weil man erst mal einfach, als man ne GmbH gründete, der damalige Geschäftsführer sehr viel Eigenverantwortung hatte und sehr viele Bereiche sich wie einem Generalintendanten unterworf-, unterwerfen musste. Das ist so geblieben. Wir haben trotzdem mit dem Typ ganz vernünftig zusammenarbeiten können. Mit Rolf Styska. Dann kam ein neuer Geschäftsführer, der eigentlich eine andere Person ist, der gerne Generalintendant werden wollte und hat letztendlich die Schieflage der Geschäftsordnung dazu benutzt, uns das Leben schwer zu machen, uns eigentlich gar nicht so sehr ins Handwerk, was die Kunst selbst betrifft, sondern in unsere Personalpolitik zu pfuschen. Und da hat er sehr viel Schaden angerichtet, damals. Ah, hat andere Leute gequält, um uns zu treffen. Dieser indirekte Krieg war so bitter und mies, ähm, dass es darum ging, die Deutungshoheit zu erlangen. Und da der Aufsichtsrat eine viel höhere, wenn man so will, Machtstellung mit dem Geschäftsführer hat, war viel schneller das Narrativ der Deutungshoheit aus der Ecke angenommen worden. Wieso wirtschaftlich? Stimmt es doch nicht, bloß die Intendanten krähen immer rum. Also so ungefähr: Sie sollen jetzt mal froh sein, dass wir sie kontrollieren.

 

Stefan Petraschewsky [0:56:44] :

Wirtschaftlich stimmt es doch, nur die Intendanten krähen rum. Stimmt‘s doch nicht, hast du gesagt…

 

Matthias Brenner [0:56:49] :

Richtig, ja ja, genau, richtig, die Korrektur ist richtig, und, ähm –

 

[laute Geräusche von der Straße]

 

das war es, äh, äh, rückwirkend wurde er sozusagen ein ganz eigentlich mieser, persönlicher Streit kulturpolitisch aufgenutzt, um Narrative zu setzen. Ähm, und wir sind auch nicht frei davon gewesen uns in eine Polemik einzumischen, die die ständige, wie sagt man, den ständigen Schutzraum Kunst, äh, als Schutzraum auch bezeichnen wollte weiter. Und, ähm, komischerweise nahmen die Zuschauer wahr: aber die Hütte ist doch voll im Schauspiel? Es läuft doch super. Ihr seid ja jut, und die Themen stimmen, und der Dialog stimmt. Und uns fiel es einfach schwer nach hinten zu erklären. Ja, weil wir uns versuchen von diesem Theaterstreit abzunabeln die Ensembles, was uns aber sehr viel Kraft kostete und eh es zum Super-GAU kommen konnte, ist es Gott sei Dank zu Ende gegangen, also so, mit der, mit der Person jetzt ganz besonders, dem letzten Geschäftsführer. Und wir merken jetzt, wie viel Schaden angerichtet worden ist, wie wir uns erst mal aneinander wieder gewöhnen müssen, ähm, in die Gräben, die gezogen worden. Und es ist ähnlich wie in der amerikanischen Politik. Es gibt fast keine argumentativen Gegner mehr, sondern nur noch Feinde. Wir haben das und da, da waren wir auch nah dran, und das ist auch, das ist auch ein Zeitgeist im Moment, der alles Mögliche betrifft, nicht nur Amerika, den Corona-Streit. Und, und. Und. Und. Und. Kann man ganz viel, Umwelt, ja, äh, kann man ganz viel hineininterpretieren und mich hat, mich hat es sehr viel gelehrt, was ich aber auch dazu sagen musste. Das Schöne ist, dass die Kunst immer eine Chance, äh, auch in einer Gebundenheit an die Gesetze zur Freiheit hat. Nämlich es einfach zu tun, äh, sich in einem Zuschauer so vorzubereiten, dass man ihm gerne begegnet und der uns gern begegnet. Das geht in jeder schwierigen Phase.

Ich will eins noch sagen zu Lockdowns und allem so‘nem Zeug. Ich finde ein Interview mit Ostermeier. Ich weiß nicht, ob du das zufällig gehört hast. Das fand ich großartig, wie der jetzt sagte, äh, äh: in der großen Zeit Shakespeares gab es die bourbonische Pest, die ging 9 Jahre und zwang in der Zeit das alles, alles. Äh- man kann es nachlesen, zwang sie, zwischen vier und sechs Monate im Jahr zu schließen. Stratford. Ja? Und die Königin hat verordnet, dass die, ah, Mitarbeiter dieses, dieser Häuser, dieses Hauses, Essen und Trinken und Logis bekommen. Fertig ist die Laube. Das war einfach geklärt. Aber wir lassen‘s zu, damit die Pest sich nicht verbreiten kann und lassen‘s zu, und ähm, ich habe überhaupt nichts, im Moment gegen Einstellung von Spielbetrieben, wenn wir eine Pandemie eindämmen wollen. Aber dann muss man es konsequent tun und eben nicht unter dem Aspekt: Wir sind ein Unterhaltungskino, und deswegen müssen wir hier dicht machen, sondern wir haben einfach die Fresse zu halten, damit dieser Scheiß-Virus unterbrochen wird und daran teilzunehmen und dass man das gemeinsam machen muss. Wir schlagen zum Beispiel jetzt vor, am äh Dienstag will ich es dem Land vorschlagen, dass wir tatsächlich uns zurückhalten. Wir werden sehen, wie lange dass wir die Bereitschaft haben, wenn es bis zum Februar zu weiteren Schließungsfolgen kommen muss, sagen wir Kurzarbeit, bitte ja, okay, aber auch Urlaub muss umgelegt werden in die Zeit.

 

Franka Kahl:

Mmm. Mmm.

 

Und wir spielen Sommer durch, damit wir einfach uns, ähm- mit der Bevölkerung bewegen. So und Weihnachten werden wir nicht versauen. Da lassen wir uns genug einfallen. Also… [unverständlich]

 

Stefan Petraschewsky [1:00:02] :

Ja interessant, weil das ist sozusagen live. Theater und Politik. Wie, wie ringt man da gerade miteinander? Trotzdem, um noch mal auf diese GmbH Geschichte zurückzukommen. Also, im Halleschen Theaterstreit, ähm.. ich möchte jetzt den Namen nennen, Stefan Rosinski. Und wenn man – das war der Geschäftsführer. Äh… Das Ganze hat eine Vorgeschichte, der ist schon in anderen Theatern aufgefallen, warum der in Halle überhaupt, äh, äh, ankam und so weiter. Egal. Also ich glaube, ihr fandet den am Anfang sogar auch gut und habt, habt gesagt, äh, ne? Also, insofern, äh…

 

Matthias Brenner [1:00:38]

Aber wir haben ihn… nicht verhindert. Ja.

 

aber, aber, aber trotzdem. Ja, ja, aber trotzdem ist es. Ähm. Das ist ein ganz interessanter Vorgang, äh… weil es, weil es sozusagen Theater jenseits der Kunst ganz gut, ich würde jetzt mal sagen, demaskiert. Also, wie so ein, wie so ein Betrieb auch kaputtgehen kann. Oder wo man, welche Stellschrauben, wie, und die Stadt mit dem Theater und der Aufsichtsrat und so weiter. Das ist übrigens ein nicht aufgearbeitetes Thema, glaube ich, das wäre also auch noch mal eine spannende Diplom- oder Masterarbeit, denke ich mal, ähm, es gab in diesem ganzen Prozess mit dem Halleschen Theaterstreit auch mal eine Runde im Theater. Da war der, wie heißt er jetzt, Ulrich Khuon eingeladen also der Chef, der Direktor, Präsident des Bühnenvereins, ähm.

Matthias Brenner [1:01:34]:

Oah, es war… wunderbar. [lacht]

 

Stefan Petraschewsky [1:01:36] :

Der an der Stelle auch gesagt hatte. Ähm.. diese, dass auch, darüber hast du gesprochen. Die Deutungshoheit des Geschäftsführers im Aufsichtsrat ist ein riesiges Problem,

 

Matthias Brenner:

Ja.

 

weil er natürlich alles durch seine Brille darstellt. Deswegen, wenn man schon eine GmbH macht, wäre das nicht schlecht, wenn bei den ganzen Aufsichtsratssitzungen die Intendanten mit dabei sitzen, damit die im Zweifelsfall ihre Sicht der Dinge einbringen können.

 

Franka Kahl:

Mmm. Mhm. Mhm.

 

Das, das hat, ist nämlich in Halle nicht passiert, da mussten die nicht eingeladen werden. Das kann man aber natürlich in der Geschäftsordnung festlegen und so weiter. Also das sind so, ja, das, wie gesagt, das klingt jetzt technisch auch nicht so, nicht so spannend. Ja, äh, äh.

 

Matthias Brenner [1:02:18] :

Ja, es ist aber, es ist aber psychologisch sehr wichtig.

 

Stefan Petraschewsky [1:02:20]

Aber es ist eigentlich, eigentlich ist es, das Sein bestimmt auch hier…

 

Matthias Brenner [1:02:24]

…das Bewusstsein. Es ist einfach so ein, dass wir Menschen Arbeiter sind und nicht Geschäftsordnungunter-, unterworfene. Wenn man das nur ist, wird das nichts. Man muss untereinander auch, äh, mal darunter fliegen können. Man muss miteinander sich mal beschließen, etwas anders zu sehen, als es die Geschäftsordnung vorsieht. Übrigens, die allererste Maßnahme, um die gerade gerungen wird, das ist, die Deutungshoheit mit durch die Intendanten gesehen werden muss. Dass es also die Anwesenheit per so, äh, in jeder Aufsichtsratssitzung ermöglicht beziehungsweise immer verpflichtet wird. Daran, da ist eine der ersten Maßnahmen, die wir jetzt machen. Insofern ist es richtig. Es ist substanziell essenziell, dass man sich eben nicht in die Politik, allzu sehr verstrickt. Äh, die Theaterhäuser ansich, damit äh, bestimmte Abhängigkeiten, äh, wo man leicht zu kriminalisieren ist, am Ende, dass sie gar nicht erst aufkommen. Das, was du meinst, wir haben uns selber unterworfen. Letztendlich, und damit sind wir heute Unterhaltungsindustrie. Ja. Danke.

 

Franka Kahl [1:03:22] :

Ich meine, ich finde, ich finde aber auch, dass das Bedürfnis der Leute, also wenn man… Das ist, natürlich auch gestiegen. Also wenn man sich mit Leuten unterhält, ja, dann dann, äh, dann sagen die immer mach doch mal was Schönes im Theater, so ein schöner Abend, da kann man danach noch schön ein Glas Wein trinken gehen. Und, äh, man muss nicht allzuviel nachdenken, weil das müssen wir ja in unserem, das haben wir ja schon so im Oh-, im Alltag um die Ohren. Und wenn ich dann schon mal ins Theater gehe! Ach, da möchte ich‘s schön haben. Also so, das ist auch oft, was sich, äh, wenn man so mit Publikum ins Gespräch kommt. Was in kleineren Städten natürlich mehr passiert, weil man wird mehr,

 

Stefan Petraschewsky:

Mmmm. Mhm.

 

sozusagen erkannt und wird auch mal angesprochen oder so, äh, dann, also das ist was, was mich persönlich eigentlich immer ziemlich nervt. Muss ich mal sagen, weil ich, ja, also, das, das wird…

 

[Geräusche von der Straße, von dem Flur]

 

Es soll ja auch nicht so kompliziert sein. Und naja, und man möchte danach schon noch einen schönen Abend haben. Also diese, das gibt es natürlich auch. Also diese, dieses Bedürfnis nach einer Unterhaltung. Es gibt es auch vom Publikum vermehrt.

 

Matthias Brenner [1:04:30] :

Aber damit hatte der Herzog schon zu tun, von denen ich vorhin erzählt hatte, dass der nach so einem Ibsen. Ich glaube, es war „Hedda Gabler“. Ich bin mir nicht mehr ganz sicher, was er da erst aufgeführt hat. Danach gleich wieder gefragt wurde, da gibt‘s Briefe hier in dem Museum, s‘finde ich rührend.

 

Franka Kahl [1:04:46]:

Man spielt doch mal was Lustiges.

 

Matthias Brenner [1:04:48]:

Ja, es war schön, die Schauspielerin an den und den zu sehen, aber bitte wieder andere Stücke,

 

Franka Kahl:

Ja. Ja.

 

damit wir wieder genießen können. Also das steht auch da. Das wird es immer geben.

 

Franka Kahl [1:04:57] :

Ich meine, gute Unterhaltung muss ja nicht. Das na, das ist ja nicht.

 

Matthias Brenner und Stefan Petraschewsky:

[gemischt] Mmm. Mhm.

 

Man spricht ja nicht, wir sprechen ja jetzt nicht gegen gute Unterhaltung. Das ist ja. Wenn es gut gemacht ist, dann kann was, ja, tolles ja auch unterhaltend sein. [unverständlich]

 

Matthias Brenner [1:05:09] :

Nee, aber wir sind, wir sind nicht dazu da, wir sind nicht an sich zur Zerstreuung da. Diesen Begriff, sondern zu einer Konzentration auf andere Lebensmodelle.

 

Franka Kahl:

Mhm.

 

Und dann hat die Antike erzählt und die lachend und weinende Maske

 

Franka Kahl:

Ja.

 

ist nicht umsonst entstanden als Symbol für Theater. Äh, wie man sagt, wir schlagen euch Lebensentwürfe vor,

Franka Kahl:

Ja.

 

die scheitern. Und welche die gelingen. Und das hat, unterscheidet sich in Komödie und Tragödie. Und bei Shakespeare kann man das geradezu finden, wie in der Komödie die Tragödie stattfindet und umgekehrt in der Tragödie die Komödie, ähm, und das ist entstanden. Theater, es wurde nachgeschrieben. Die Folianten wurden aufgeschrieben, nachdem die es spielten. Und das finde ich so, äh, so hervorragend, dass, äh, da war nicht für alle was dabei, sondern die Schauspieler waren im Grunde genommen für alle da, ja? Und mussten die Tomate aushalten, ja? Oder eben das Essen danach kriegten sie besonders kredenzt, wenn sie gefallen haben. [lacht] Mmm.

 

Stefan Petraschewsky [1:06:09] :

Ähm. Nur noch einmal kurz was zur, ähm, zur Struktur. Ich würde jetzt, also wir haben, haben jetzt die anderthalb Stunden fast geschafft. Ich würde jetzt trotzdem noch gerne, äh, ein bisschen weitermachen mit Matthias Brenner noch zwei Punkte besprechen. Einmal würde mich noch interessieren, seine Meinung zu, äh, diesen Fusionsgeschichten und zu den, äh, Weimarer Modellen, also zu diesem Einspar, äh, geschichten also, äh, äh, Haustarifverträgen, so.

 

Matthias Brenner:

Mmm.

 

Und das andere ist, äh, noch einmal konkret die Reaktion oder die Frage was macht Theater, wenn jemand mit einer Wumme, äh vor die Synagoge fährt und, äh, und dann aus Frust, weil er die Tür nicht aufkriegt, äh, irgendwie, äh, einfach mal zwei andere Leute umnietet, äh, ne? Ist klar. 09.10.2019 ist das passiert. Und dann würde ich denken, machen wir eine Pause bis um zwei. Da können auch wir hier noch einmal kurz auf dem Markt gucken zur Demo.

 

Matthias Brenner:

Mhm.

 

Und dann würden wir noch mal ein bisschen was mit Franka Kahl weitermachen, die eigentlich erst um zwei kommen wollte. Aber jetzt eben doch schon jetzt gekommen ist, weil sie eben nicht wusste, ob sie nachher noch mit dem Auto in die Stadt kommt. Und, äh, ich würde aber bitten, dann noch mal reinzugucken, weil, ähm, das finde ich auch noch einmal sehr besonders ist. Also diese Situation Theater auf dem Land, sozusagen, im ländlichen Raum, auch in dieser Fusion-Struktur, Döbeln-Freiberg, kleine Theater. Es ist eine Universitätsstadt. Aber das sind eben nur Naturwissenschaftler, die dort irgendwie Mineralogie studieren

 

Franka Kahl:

Geologie.

 

oder Bergbau so ein Krempel also sozusagen ist – Ja!

 

Franka Kahl [1:07:58]:

Krempel! Das kannste nicht sagen. Das ist keine…

 

Stefan Petraschewsky [1:07:59]:

Und es gab natürlich auch in Freiberg gab es im letzten Jahr auch ein ziemlich, ging auch durch die Presse, auch deutschlandweit, eine große Geschichte AfD, Theater, was „die Kunst ist frei“ so in diesem Bereich. Am Ende ging es, sprach der Bürgermeister davon, dass ja doch, äh, äh, Kunst einen Neutralitätsgebot hätte. Das, äh, und so weiter.

 

Franka Kahl:

Genau, eine Veranstaltung wurde aus dem Theater gelegt.

 

Also das, das wir, das wäre, sozusagen ein Punkt, was man jetzt exemplarisch da diskutieren kann. Was aber natürlich genauso, sage ich mal, für die Theater in, äh, äh, ja, was denn. Görlitz. Bautzen.

 

Franka Kahl:

Zwickau. Plauen. Gera-Altenburg. Mhm.

 

Äh, äh, und so weiter. Also überall eigentlich. Genau. Zwickau, Plauen ist es sicherlich auch.

 

Franka Kahl [1:08:45]

Gera-Altenburg ist ja auch vierzig…

 

Stefan Petraschewsky [1:08:46]

Okay. Also das, aber nur jetzt nur mal kurz zur. Struktur. Und jetzt diese, diese Fragen vielleicht –

 

Claudius [1:09:00] :

Es gab, ganz kurz. es gab kurz ne Frage, ob das nachher um 14 Uhr und oder lieber um 14 Uhr 15 startet.

 

Stefan Petraschewsky [1:09:00]

Es ist mir egal. Wer entscheidet, was ist denn besser. Lieber um 14 Uhr oder, oder lieber um 14 Uhr 15?

 

Claudius:

Das ist… allen egal.

 

Stefan Petraschewsky:

Dann würde ich sagen 14 Uhr, dann haben wir’s durch. Oder?

 

Claudius:

Ja.

 

Matthias Brenner [1:09:14] :

„14 Uhr fände ich schöner.“, schreibt doch jemand gerade.

 

Person im Hintergrund:

Wunderbar. [unverständlich]

 

Stefan Petraschewsky [1:09:23] :

Aha! Okay. Gut. Ähm. Was ist denn jetzt geschickter dramaturgisch: erst die Fusion und die Haustarifverträge? Tatsächlich –

 

Matthias Brenner [1:09:28] :

Ja, weil es, weil es langweiliger scheint.

 

Stefan Petraschewsky:

Ja, [unverständlich] es ist langweiliger [unverständlich] aber wir hatten ja zum Schluss [unverständlich]. Ist ein Cliffhanger. Okay, also –

 

Es klingt ein bisschen langweiliger, könnte aber spannend werden, aber, ähm, zu der anderen Sache habe ich eine, habe ich eine klare Meinung, zu den, zu deiner zweiten Frage, ja. Eine Erfahrung.

 

Stefan Petraschewsky [1:09:42] :

-ähm, sozusagen, es gab, ich würde mal so sagen, ich glaube ab 95, ging das los mit Altenburg-Gera, äh äh, Plauen-Zwickau. Äh, wir hatten gestern das Nordhauser Städtebundtheater auch als Beispiel. Herzlichen Dank dafür. Aber auch Neustrelitz.

 

Franka Kahl:

Neubrandenburg.

 

Da warst du ja auch unterwegs mit Neubrandenburg. Ähm…

 

Franka Kahl [1:10:01]:

Görlitz-Zittau, glaube ich? Ne.

 

Stefan Petraschewsky [1:10:02]:

Ja, gut, die sind ja nicht –  Diese Fusionswelle, wie hat das aus deiner Sicht funktioniert? Und wie sind die Theater – die vielleicht auch ganz unterschiedlich waren, auch in ganz unterschiedlichen Orten natürlich sind – wie hat das für diese Theater funktioniert? Und welche Auswirkungen hast du beobachtet?

 

Matthias Brenner [1:10:23] :

Also ich habe es tatsächlich sehr genau mitgekriegt. Als es so aufkam, Mitte der 90er-Jahre. Äh. Weil es Michael Schindhelm, später Basel in Gera…

 

Stefan Petraschewsky [1:10:38]:

Altenburg-Gera, war das, genau.

 

Matthias Brenner [1:10:39]:

Erst, er war erst in Gera, und es ging damit los, dass die mit, äh, Altenburg fusionieren sollten. In der Zeit habe ich gerade dort unten was in Gera inszeniert. Da habe ich das sehr mitbekommen, den Widerstreit darum und, äh, die Schauspieler oder auch Sänger sagten, es wird eine Tierquälerei, weil es ist eine zweispurige Straße über 37 Kilometer, wo man mehr als anderthalb Stunden braucht, ähm, in der Erntezeit noch länger, weil dann Erntegerät drüberfährt, diese Straße nutzt, um überhaupt, wo wohnt jemand, wo ist was angesiedelt? Wie wird das sein? Ich meine, äh, Görlitz-Zittau, nehmen wir nur das als ganz altes ähm… vorvoriges Jahrhundert Modell. Die einen machen die Oper, die andern machen das Schauspiel, und die hatten schon immer einen Zuschauerverbund letztendlich dahingehend, dass die zehn Vorstellungen Schauspiel Zittau ab, äh, spielten. Und dann sind sie umgezogen, mit allem was sie hatten. Und haben es dann dort nochmal gespielt. Das war am Ende, in älteren Zeiten so. Und das hat da aufgrund sicherlich irgendwo immer funktioniert. In Altenburg-Gera hat es für meine Begriffe, der Übergang dahingehend so lange gedauert, dass ganz viel kaputtgegangen ist an, äh, an Strukturen, auch an Interesse, an Durchhaltevermögen. Das hat ja zwei, drei Ensembles im, im Prinzip inzwischen drüber gegangen, über diese 15 Jahre und, äh, den Leitungswechsel waren massig einfach angesagt, sodass es eine, von den Ursprungsideenträgern ist eigentlich niemand mehr da, auch weder in der Politik noch im Theater und von denen, die sie jetzt aushalten müssen in der Struktur, äh, wissen eigentlich gar nicht mehr, warum sich das gründen musste. Es gibt keine Bewusstheit dafür. Und es hat seinen Grund, dass es ein Theater in Altenburg gibt. Es gibt ne Geschichte dazu. Und es hat einen Grund, dass es eins in Gera gibt, dass man sich versuchte, gegenseitig so zu stützen, um sich möglicherweise wichtiger zu machen. Das geht, glaube ich, schief. Es ist ja auch, äh, Gottseidank zwischen Weimar und Erfurt nie gelungen. Und das hat Gründe.

 

Franka Kahl:

[fast flüsternd] Ja die haben [unverständlich…]

 

Matthias Brenner:

Mhm.

 

Stefan Petraschewsky [1:12:45]:

Wie hat denn das Publikum auf diese Fusionen reagiert in deiner Beobachtung? Weil, ich habe mitbekommen immer dieses Argument: Das ist der Schauspieler, der Lieblingsschauspieler in meiner Stadt. Und ich will den Lieblingsschauspieler aus deiner Stadt nicht auf meiner Bühne sehen.

 

Matthias Brenner:

[lacht] Ja.

 

Stimmt das?

 

Matthias Brenner [1:13:02] :

Ja, das stimmt.

 

Franka Kahl:

Ja.

 

Man kann es so runterbrechen. Ich würde sogar sagen gar nicht so, jetzt so nur so, dass dieses engstirnige Ar, Ar, Agument, ja, es gibt aber auch die und die Schauspieler auch. Es geht bitte für Sänger genauso. Ja, äh, oder Musiker, ähm, die haben eine Geschichte mit uns, mit uns gemeinsam eine Geschichte. Dass wir die Geschichte mal ausleihen, ist nicht das Problem. Man sagt dazu auch Gastspiel, ja, oder so etwas. Aber das es eigentlich niemanden mehr richtig gehört. Das ist nun mal. Ich gewinne. Ich spreche ich über Meiningen, ich bin da aufgewachsen. Das ist ein großes Haus in einer ganz kleinen Stadt,

 

[Geräusche von der Straße]

 

auch mit ganz zum Teil kleinem Denken. Aber in einem sind sie großzügig gewesen. Die Meinung des Theaters hat die Meininger immer interessiert. Also ob ich auch das Heizers im Theater, weil er immerhin ja im Theater arbeitete, äh, das ist also etwas, was mit uns geschieht. Das ist anders als in Berlin wo du fünf bis sieben, äh, ähm, subventionierte Bühnen und dann auch viele, viele, viele andere Bühnen hast. Das ist pluraler. Das ist aber selbst da kriege ich es mit, wenn wir uns mal nur, wie die Volksbühnen Gesellschaft angegriffen wurde, über äh, Weggang von Castorf und der Neue, der kommt, will was ganz anderes machen auf dem Flughafen dahinten in Tempelhof oder so etwas wo die Zuschauer sich Lost fühlten. Plötzlich, und das ist, glaube ich, im Kleinen oder im kleinerem Territorium, das heißt nicht im kleineren Denken,

 

[Glocken läuten]

 

das ist nur das kleinere Territorium. Umso wichtiger und wesentlicher, dass man die Feldwege wie den Markt, Weihnachten wie den Kalender, miteinander, umeinander lebt und kennt und sich gegenseitig inspiriert, äh, über Dinge, die nicht funktionieren, und die man gerne besser hätte. Das ist das alte Lied, warum die Leute ins Theater gehen und warum wir Theater machen. Und da fand, ich halte von dieser von diesem Zusammengeschmeiße, ja?, überhaupt nichts. Es gibt Modelle, die funktionieren. Die haben früher für den Osten funktioniert, dass man sagt, es war ja in Leipzig so, dass ist in Berlin so, dass – es war, glaube ich in Halle genauso – äh, dass man sagt, man hat zwei Häuser stehen. Ein Schauspielhaus und ein Musikhaus, ja?, und man teilt sich die Werkstätten. Dann hat nicht mehr jeder seine Werkstatt. Man zieht das zusammen und versucht dort, man kann auch ein bisschen in der Verwaltung was machen, aber auf alle Fälle nicht in der, in der Entstehungsgeschichte oder in der, in der, in der Entstehungsnotwendigkeit, wie Kunst entsteht. Da sind wir ein ganz anderer Kreislauf, als es in der Oper passiert. Äh, äh, das unterscheidet sich wie die eben, wie das Schwein von der Kuh würde ich mal sagen, und Ähm.. es hat nur ähnliche…Es hat alle beide vier Beine vielleicht, aber ansonsten läuft es anders

 

Franka Kahl und Stefan Petraschewsky:

[gemischt] Ja. Mhm.

 

und äh, deswegen ist es – nach dem 30-jährigen Krieg. Man darf das nie vergessen. Die Kleinstaaterei, dieser furchtbare Zustand, wie Leuten das schwer gemacht wurde, von einem Ländchen ins andere zu können, weil man Geld bezahlen musste. Äh, was macht man? Wir bleiben da. Man schaffte Bleibefaktoren. Man nahm also die Theater. Mann schaffte diese Theater in den Regionen an, und sie sind 30-Jährige, die Nachkriegsgeschichte nach dem 30-jährigen Krieg hat heute noch regional, emotional ganz viel mit den Menschen heute zu tun. Und deswegen, äh, wenn wir jetzt das ABC abschaffen würden, wäre es das gleiche, weil wir, weil wir uns ja schneller über, über, äh, Strich und Punkt, verständigen können. Ähm, es ist ja Quatsch. Ich meine, das fängt ja schon an mit dem Alphabet, wurde ja schon, ein bisschen. Aber, äh, Mann. Ich glaube, dieser unwahrscheinliche Kulturreich-, Kunstreichtum an Live-Kunst, die immer aktuell ist, und es ist die schnellste Kunst, die es gibt. Es ist immer, man denkt es ist Radio und Fernsehn wären es, das sind keine Künste. Das sind Institution. Und ähm, Malerei, Grafik, äh… Literatur sind, äh Kino, Film, sind alles Sachen, die Zeit verbrauchen, um sich dann zu präsentieren. Wir präsentieren es in der Entstehung. Und das ist der, das ist das Großartige. Deswegen kann es davon gar nicht genug geben.

 

Stefan Petraschewsky [1:17:02] :

Seit wann ist Rassismus ein Thema für das – ich mache es mal konkret jetzt – Hallenser Theater. Also, ist das eine Sache, die eigentlich schon immer da war oder in den 90er-Jahren irgendwann losgeht oder die tatsächlich erst mit diesem Anschlag auf die Synagoge da war.

 

Matthias Brenner [1:17:18] :

Also ich hatte immer das Gefühl, auch im Osten, ich bin kein Rassist. Äh, bis ich feststellen musste, dass sich rassistische Reflexe genauso in mir bereithalten, wie wahrscheinlich alle möglichen Menschen der Fremdheit begegnen, weil wir auch, äh, das Mittel der Ausgrenzung im Kopf immer wieder untersuchen, ob im Kindergarten, wenn ich jemanden nicht leiden kann, ja, äh, wie auch im Beruf. Das Mittel der Ausgrenzung bleibt uns als kollektive Möglichkeit, Gewalt auszuüben, ohne einen die Knochen zu brechen, sondern die Seele kaputtzumachen. Wir nennen es auch darum Mobbing in der moderneren, äh, juristischen Welt. Ähm, ich glaube, der… Halle gehört für mich allerdings nicht zu den Städten, in denen, wo man dranschreiben muss, Rassismus, äh, äh, Rassismus muss weg oder so etwas, sondern, ähm… Händelstadt würde ich auch nicht dranschreiben. Den gibt es schon lange nicht mehr. Und das Beste,  oder besser gesagt, sein schönster Moment, wie er selbst sagt, war Halle zu verlassen. Also ist das nicht unbedingt, äh, ähm… Also es ist, äh, aber, wenn ich auf, ähm, Halle gucke, würde ich sagen, es ist eine wirklich top Universitätsstadt und, äh, auch eine Stadt der Künste, weil, was an Subkultur, äh, dort entstanden ist, wie wir mit unseren sogenannten Hochkulturstätten und Subkultur miteinander umgehen und uns gegenseitig bedingen, weil das aus sich entstanden ist, urban, deswegen finde ich das so fein. Es hat natürlich dadurch eine ganz große denkende Strukturen, hat mit Rechtsradikalismus eher in Ausnahmefällen, die an sich allerdings sehr lautstark melden, weniger zu tun. Deswegen ist dieser, dieses Attentat ein riesiges Unglück. Ich sage es, ein Unglück. Es hat sich auch wie Mehltau über die Stadt gelegt an diesen, äh, äh, Tagen des Passierens, weil du fragtest vorher: Wie reagiert man darauf als, als Theater? Wir haben sofort den 9. November genutzt und haben einfach sofort den Titel erfunden „Tag des offenen Denkens und Handelns“ und haben das Haus aufgemacht, Probenbesuche aufgemacht, eine Diskussionsrunde Veranstaltung –

 

Stefan Petraschewsky [1:19:14] :

Warum der 9.11 nur? Entschuldigung, ich will dich nur unterbrechen, also der 9.11. ist ja kein zufälliges Datum, Das. Sondern das ist –

 

Matthias Brenner [1:19:19]:

Neee. Das, äh, es ist, das Datum der Kristallnacht,

Ja.

äh, das war unsere. Unser Ansatz. Nicht unbedingt des, auch des Mauerfalls.

 

Es war, es war auch der 30. Jahrestag des Mauerfalls im letzten Jahr, muss man ja auch sagen,

 

Mauerfalls. Ja.

aber halt die Reichspogromnacht

Ja.

ja, ne, also. Die jüdischen Geschäfte werden überall angezündet.

Also es gibt ein, wirklich ein Foto, das ging durch die Weltpresse,

und das spielt hier vorne in Leipzig, das ist die Ecke,

 

Mmmm.

 

wenn man sozusagen,

wie soll man sagen, bei den Mendelssohn-Brunnen oder Dingsbums dasteht und dann in diese Richtung guckt auf diesen Turm dieses diese Ecke, die brannte, und davor sieht man so ein Fahrrad, wo jemand so drauf, dransteht, und das war ein jüdisches Kaufhaus, und es wurde einfach angezündet. Und das ging durch die Weltpresse als, als Bild für diesen 9.11. 38 war das. Okay, aber ich habe dich nur unterbrochen –

 

Matthias Brenner [1:20:04] :

Ich will da was ganz. Ich will was ganz Konkretes sagen. Gut, das ist da, der wie reagiert, reagiert man mit Veranstaltungen. Und Kunst. Okay, das sind Ideen. Jetzt geht es aber ans Eingemachte. Was du vorher, sagtest Franka: unterwerfen wir uns der Politik oder nicht?

 

Franka Kahl:

Mhm.

 

Am, äh, ich wusste ja schon lange, dass, äh, die, durch die Kommunalwahlen in Halle, dass die AfD einen Platz bekommt, im Aufsichtsrat.

Franka Kahl:

Mmm. Mhm.

 

Ja, die hatte, ja, genauso wie – die SPD war rausgeflogen, die AfD war reingeflogen – ähm, und, äh ich wusste auch den Namen. Dessen jenen, das war der Stadtverordnete, Stadt-Dingsbums, Donatus Schmidt hieß der, und ich hatte die ganze Zeit immer da was. Ich muss da mal gucken. Er, wir müssen da was gegen tun. Es war die ganze Zeit in meinem Kopf. Drin. Es war ja auch noch nicht die erste Sitzung, die kam erst, äh, um den 12. Dezember. 13. etwa war die erste Sitzung dieses neuen, konstituierten Aufsichtsrat durch die neuen Stadtverordneten. Okay, jetzt kamen diese Schüsse. Jetzt kam diese Sache. Jetzt kam das auf, und jetzt machten die Halle gegen Rechts. Die Truppe, die ich sehr, sehr schätze, mit denen ich auch viel zusammenarbeite, das ist eine echt coole Truppe, die 30 Bewegungen vereinen kann. Äh, die bauten ja sofort diese Mahnwache auf,

 

Franka Kahl:

Mmm.

 

die bauten sofort, mit Mehltau auf der Seele. Die machten es einfach, wo wir noch einen Schockstarre standen. Und zwei Tage später kamen diese Kranzniederlegungen von [unverständlich] Regierung.

 

Franka Kahl:

Mhm.

 

Und wer läuft da oben? Donatus Schmidt mit seinen Leuten. Ich wusste, ich hatte inzwischen ein, [klopft auf dem Tisch], ein wie heißt das Ding. Einen Videoausschnitt bekommen von einer antiisraelischen Demonstration in Berlin, tausend Teilnehmer, darunter Donatus Schmidt unter dem, äh, mit dem, mit dem Laufband liefen die rum: „Wenn wir wollen, töten wir euch alle“. Also es war eine klare Ansage. Und erst in diesem Moment, dieser Zeit habe ich sozusagen, wo sie, jetzt müssen wir handeln, ganz anders. Jetzt müssen wir den rausschmeißen. Den müssen wir aus den Aufsichtsrat kriegen. Das ist verfassungsfeindlich. Wenn der jetzt hier im Aufsichtsrat sitzt, dann werde ich verrückt. Ich habe tatsächlich meine Amtskollegen damals der Lutz und Christoph Werner zu Unterschriften bekommen.

 

[laute Geräusche von der Straße]

 

Herrn Rosinski natürlich nicht. Der meinte, das muss ich mal selber. Das müsste man erst mal genauer überlegen – [zurückweisend] Äh, äh, äh! Und haben, letztendlich das an die Stadt geschickt. Und da stand drin: Wir unterwerfen uns dem Aufsichtsrat nicht mehr. Das hieß damals, wir legen unsere Dienstverträge blank. Die, der oder wir. Also müsst euch entscheiden, dass dem OB noch ein Dienstag vorher sagte wollen in diesem Dezember ich meine es ganz ernst. Hat am nächsten Tag, haben die gehandelt und haben dann per Stadtratsbeschluss, äh, ihn sozusagen aus dem Aufsichtsrat gehoben. Und dann war er raus. Und das war für uns das absolut wichtige Signal, darauf zu reagieren. Denn Veranstaltungen machen, das klar, das können wir, und das werden wir mit weiter viel Einfallsreichtum auch tun, und haben es auch getan. Der 9. November ist diesmal geschlossen, weil wir haben Lockdown.

 

Franka Kahl:

Mhm.

 

Wir können nicht spielen. Also wir können keine machen. Äh, wir werden online was tun. Natürlich. Aber wir können, es gibt ja auch einen 9. Dezember. Es gibt einen neunten Januar, und es gibt ein neunten und ein neunten und ein neunten. Wie wir auch den 1. Mai im ersten Lockdown, der für uns sehr wichtig ist, an dem wir sehr viel machen in Halle,

 

Franka Kahl:

Mhm.

 

vor tausenden von Leuten, äh, drei- vier Stunden Kunst und Politik, äh wir haben, wir dann an, äh, wie haben wir es dann genannt? Der neunundzwan-, der 30. Juni ist heute jetzt der 1. Mai und haben dann die Mai-Veranstaltungen gemacht oder so was, ne? Also, ich will da noch mal sagen das ist das, was, was wir tun müssen, dass wir, die Möglichkeit haben wir auch, im sogenannten Hintergrund, aber ganz vordergründig politisch zu arbeiten, ja?, und im Vordergrund ganz hintergründig mitzudenken und, äh, auch hier, den Charakter dieser Stadt mitzuprägen, und auch aus dem Charakter dieser Stadt zu schöpfen. Und das ist wichtig. Und das, und das immer mit Publikum zusammen, sich immer zu multiplizieren, sich immer, äh, in Meinungsplural auch auszuhalten. Aber als Einheit von Meinungspluralität dazustehen und diese Demokratie zu verteidigen, das ist im Moment angesagt.

 

Stefan Petraschewsky [1:24:03]:

Ist das eine neue Aufgabe für die Theater? Vielleicht auch als Perspektive? Also das ist ja so ein, so ein…äh… pff, ja…St-, irgendwie, äh, Stichwort, oder, also so ein, äh, so eine Plakette, irgendwie kulturelle Bildung, und Ort der Demokratie, und was da nicht jetzt in jedem Antrag drin steht, den irgendwelche Leute stellen um, um, Geld zu bekommen für irgendwelche Projekte. Al- Entschuldigung, ist doof jetzt, aber…

 

Matthias Brenner [1:24:23] :

Ja. Nee, verstehe ich schon. Richtig. Kenn‘ das [unverständlich] genug. [lacht] Mmm.

 

Stefan Petraschewsky [1:24:42] :

Ähm. Ne? Also, sozusagen – Früher haben die, die Stadttheater. Und das Neue Theater in Halle ist ja ein Stadttheater. Sage ich mal, den klassischen Spielplan gemacht. Stücke von Kleist und so weiter.  Verändert sich gerade was? Also kriegt das Theater da eine neue Aufgabe? Es geht nicht mehr um, um Klassiker auf der Bühne, sondern es geht auch darum, die, die Häuser, die Theater zu verlassen?

 

Matthias Brenner [1:24:55] :

Also wir sind in einer, wir sind in einer sehr schönen Zwangslage, sag ich mal, als, ähm, wir im März geschlossen wurden, alle miteinander. Da hatte ich Mitte April irgendeine – puh! – ich nenne es mal so eine schwere kurze Nacht, äh, weil ich auf die Idee ge-, gekommen war, die mich völlig gequält hat. Die Idee lautete, ich sage Morgen meiner Leitung, wir legen unseren gesamten Spielplan flach, wir holen ihn gar nicht mehr hoch, wir lassen ihn sterben. Wir nehmen ihn raus, auch ganz neue Stücke. Wir hatten gerade früh die gemacht, äh, raus damit, alles weg. Wir bauen uns vier Bühnen, die durchgehend stehen bleiben können, die für die Zuschauer eine angenehme Perspektive bilden, dass sie sich mit 60, 50 Leuten nicht alleine fühlen, die aber auch wenn je nach Möglichkeit immer wieder Leute bis zum Ausverkauf oder bis zum Ausrufen hineinlassen können, bauen uns diese vier Spielstätten und machen alles neu, und fangen jetzt an, neue Stücke zu suchen und neue zu machen. Das haben wir gemacht. Und wir haben einen stabilen Spielplan hingekriegt. Also wir haben das, äh, gemacht, und ich, mir, und, wir haben festgestellt, die Leute sind nicht nur so dankbar gewesen, sondern sie – nicht, dass sie überhaupt was sehen, sondern dass sie Anna Seghers geliefert bekamen jetzt, ne? Dass sie, ähm, äh, diesen Münchhausen Stoff von, von, von Petras, der jetzt kommen wird. Oder dass, äh, wir haben den alten Handke hochgeholt haben „Stunde, da wir nichts voneinander wussten“ gemacht – ein Stück, wo nicht gesprochen wird. Aerosol schwach haben wir mal so gesagt auch, ne? Ähm, oder eben ganz neue Stoffe, die jetzt kein Schwein kennt. Und jetzt, da draußen steht auch dran Neues Theater. Und uns macht es gerade so viel Spaß. Und wir haben paar Kinder, die wir schlafen gelegt haben, Inszenierungen, schweren Herzens zum Beispiel. Aber haben wir immer wir, können wir ja wieder wecken. Jedes mal, jeden Tag kommt ein neues dazu wir sagen, mm-mm, lass uns was neues machen. Mm-mm, lass uns was neues machen. Irgendwie hat sich da was verändert, auch bei uns. Und ich glaube, das ist eine Gangart für die Zukunft, dass wir viel eben schneller reagieren, auf bestimmt – Ich mach, Werbung ganz einfach jetzt. Ich sag ein Beispiel. Es gab eine der größten Erfolgsinszenierungen in der gesamten DDR von Maxie Wander: „Guten Morgen du Schöne“, das ist zum Beispiel originale, diese Frauen Monologe sind wohl offensichtlich um die 300 mal gelaufen, ich kenne das aus Erfurt und sonst wo, ich habe es besser und schlechter gesehen. Es gibt von Greta Tauber einen neuen Roman. Der heißt „Guten Morgen, du Schöner“, der jetzt zur Buchmesse dargestellt wurde, mit der sind wir jetzt in Kontakt getreten und die auch mit uns. Daraus machen wir jetzt ganz fix, nicht fix im Sinne von [hächeln], sondern wir entschließen uns schnell einen Theaterabend daraus zu machen. Wir haben auch gesagt, äh, alle fünf Damen sind noch am Leben, die es damals gespielt haben. Lass uns damit umgehen und versuchen da jetzt ein Projekt draus zu nageln. Was am Ende daraus wird, wenn wir es – im April wahrscheinlich – äh, bringen werden, ist noch die Frage, das weiß ich heute noch nicht. Und das Schöne ist, ich muss es gar nicht wissen. Ich muss es bloß anders in Auftrag geben können. Wir, ich will weg von diesen vielen Jahresversprechungen, dann kommt das Stück, dann kommt das Stück. Dann kommt das Stück, da muss es viele halten. Da kommt ein Stück, da kommt das. Hier kommt eine Projektentwicklung, hier das und hier haben wir einen 9. November. Hier müssen wir etwas tun, das machen wir zusammen. Und da, daran, äh daran arbeiten wir gerade, um uns da umzurüsten. Das hat aber, Corona hat‘s uns gezeigt, aber es hat mit so einem Zeitgeist zu tun. Das wird da anders Verfahren müssen. Und ob das Schiller, Goethe, Lessing oder so wie die ihren Platz finden. Die sind ja nicht verboten und ausgeschlossen. Ja, aber wir entpflichten uns erst einmal. Äh, äh…. Wir probieren Mal, dass die Tradition – Wir legen mal die Tradition schlafen. Ja, sie muss ja nicht sterben. Aber sie kann, sollte man eine Pause machen. So ah, sag ich mal so. Ah… ja.

 

Stefan Petraschewsky [1:28:40] :

So jetzt, ähm… also in meinen Text, im kommentierten Vorlesungsverzeichnis hatte ich ja sozusagen doch diese Rassismuskarte ganz, ganz gut gespielt. Also, ob das jetzt Dirk Laucke war, der übrigens auch in Halle gearbeitet hat und Stücke am Thalia Theater gemacht hat, wie „Ultras“, der, der das 2009, wo er, wo es um HFC-Fans geht, die „Juden Sau“ oder oder irgend, so ein, öh,- und das wurde öffentlich auf der Bühne gesagt. Die damalige Bürgermeisterin fand das irgendwie doof, es sollte irgendwie gedeckelt werden, und zehn Jahre später kommt das dann sozusagen mit diesem Anschlag auf die Synagoge vielleicht wieder hoch, also sozusagen. Man kann noch über dies und jenes und alles Mögliche reden. Aber weil ich das eben in diesem kommentierten Vorlesungsverzeichnis so… äh, akzentuiert habe, würde ich jetzt gerne noch mal in die Runde fragen, ob es sozusagen, ob das beantwortet ist oder ob ihr da noch mehr, Sie da noch mehr wissen wollen. Also, du hast ja gesagt, der Anschlag war da, dann haben wir am 09.11. dieses Programm gemacht, und wir machen eben seitdem eigentlich, ist das, ist das im Fokus für so ein Fokus.

 

Matthias Brenner:

Es ist ein Fokus, für eine….

 

Stefan Petraschewsky:

Ha- haben, möchten Sie noch etwas wissen?

 

[Schweigen, Kindergeräusche von der Straße. Matthias Brenner flüstert etwas.]

 

Stefan Petraschewsky [1:30:08] :

Möchten Sie noch was anderes wissen?

 

[pause]

 

Dann überlegen Sie vielleicht noch oder so was. Aber, da, dann, also wir, ich mach, ich verspreche, dass ich in acht Minuten Schluss mache. Ähm, doch noch einmal diese Frage. Weil da können wir nachher noch mit Franka Kahl anknüpfen, denn du warst ja auch in Halle am Thalia Theater. Äh, du bist jetzt auch Intendant des Thalia Theater- Also es gab ja das Neue Theater, und es gab das Thalia Theater als einzeln, als einzelnes Haus, als Kinder und Jugendtheater. Irgendwann wurde das sozusagen zusammengeschmissen, die Ensembles wurden fusioniert, ähm, der Name existiert. Aber ist das eine Mogelpackung? Oder, oder? Wie existiert jetzt aus deiner Sicht das Kinder- und Jugendtheater?

 

Matthias Brenner [1:30:56] :

Äh. Nee. Es war ja, es, äh, äh, bahnte sich an, eine Mogelpackung zu wer-, zu werden. Und dagegen haben wir uns, also, dagegen haben wir uns gestemmt. Es ist richtig. Es gab damals auch Grund, ähm, wir sind im Jahr 2011 und 12. Ich hatte das Neue Theater 2011 übernommen und 2012 in der gesamten Phase dieser ersten Spielzeit, ähm, waren die Sparmaßnahmen, konnte sozusagen ächzte eben die GmbH unter dem Eigenbesitz von Immobilien, äh, diesen, deren Liegenschaften sie nicht mehr bezahlen konnte und um 300.000 Euro einsparen zu können. Das war damals die Summe, um die es ging, äh, sollte das Gebäude des Thalia Theaters in der Kardinal Albrecht Straße ein hochfunktionales, akustisch hochinteressantes Haus mit einer tollen Geschichte, einer hässlichen Fassade, wunderbar. Alles, was man zum Schauspiel machen braucht, ja?, äh, sollte, ähm… abgegeben werden. Und damit war das Ensemble für Heimatlos erklärt und sollte bei uns im Opernhaus, bei uns im NT, im Neuen Theater, äh, oder auch das eine oder andere im Puppentheater im öffentlichen Raum irgendwie noch Theaterspielen. Damit war aber klar, dass das wird wie ein Blatt im Wind. Und als ich dann hörte, dass die Intendanz jetzt in das Haus des Neuen Theaters ziehen soll, da habe ich einen Stecker gezogen, habe gesagt nee, äh, wir können jetzt nicht hier zwei große Ensembles beherbergen. Wir brechen in dem Haus zusammen, das können wir nicht. Was wir aber können ist, wir können das Ha-, wir können das- Ich übernehme das Ensemble, und zwar in Gänze mit, äh, in das Haus hinein und in ein, in eine gemeinsame Leitung, zusammen mit einem Puppentheater, also mit, mit dem Christoph Werner. Das war unser Vorschlag. Wir wollten kein Geld mehr dafür haben. Also kein Vertragsgeld für irgendwelche Intendanten, die wir sind, ähms, und wir verlangen von der Stadt, wenn, wenn wir das machen, allerdings zwei Jahre Garantie, dass den Mitarbeitern dieses Hauses nichts passiert. Das heißt, dass die zwei Jahre gesichert sind die Schauspieler, dieses gesamte künstlerische Personal, Technik sowieso. Und das ist auch weitlich erst einmal gelungen, diese Operation. Wir haben dann gesagt, die Formel gefunden, damit die Eigenständigkeit gewahrt bleibt. Das Thalia, weil ich das für die Überlebensformel hiel- hielt, damals. Deswegen eben nicht, dieses diesen Titel sterben zu lassen. Wir bauen euch eine eigene Maske, eigene Garderoben, das heißt, wir essen aus den gleichen Tellern und pinkeln in die gleichen Pinkelbecken. Aber wir gehen künstlerisch erst mal unterschiedliche Wege, gastieren aber gegenseitig. Also die Kollegen können, was sie eh wollten, und daraus ist de facto natürlich eine emotionale und mentale und auch körperliche Fusion entstanden. Es gibt dort inzwischen zwei Ehen, aus den Ensembles, die entstanden sind. Also wurden sofort die Frauen geändert, also es ist so, umgekehrt die Männer.

 

[laute Straßengeräusche]

 

Und inzwischen, es gibt einen funktionierenden Spielplan, den wir aufgebaut haben. Kinder und Jugendtheater. Und ganz ehrlich, ich habe davon geträumt, weil ich das für wahnsinnig wichtig halte, dass ein Schauspielhaus ganzheitlich arbeitet, und nicht sagt wir machen einen Vergnügens-Spielplan, einen ernsten Spielplan für abends, um das andere soll sich an das Theater kümmern. Das ist ganz armselig, eigentlich auch gedacht, und, äh das ha’s – Wir haben auch Preise eingeheimst, gerade auf dem Gehweg. Also Theatertreffen haben wir mit dem Abendspielplan nie geschafft. Waren jetzt auch nicht so hinterher, muss ich sagen. Aber, äh, in den Theatertreffen Kinder und Jugendtheater oder, äh, das Goethe-Institut hat uns ein riesen Gastspiel, durch zehn, äh, europäische Hauptstädte, drei Wochen lang mit einer Inszenierung sieben Leute stark, hat sehr, sehr viel Kraft gekostet, das zu kompensieren innerhalb des Hauses, äh machen lassen. Es sind Preise gekommen, es sind Anerkennungen gekommen, es ist eine tolle, tolle Frau da, die Katharina Brankatschk, die auch genau künstlerische Leiterin, äh, dieses Ensembles ist, mit uns zusammen. Sie ist dort hauptsächlich auch Regisseurin. Gottseidank. Das hat, glaube ich, eine ganz große Ausstrahlung auch in das Ensemble gefunden. Das hat eine Weile gedauert, aber es hat ein ganz anderes Selbstbewusstsein gegeben. Und deswegen werden jetzt wirklich vom Ensemble aus allen Generationen und aus der, und auch aus der Herkunft, Neues Theater. Der Vorschlag kommt, lasst uns bitte, egal wann wir spielen und wenn es früh um sieben ist, ja, für Kids und Schulen spielen oder so was. Und da habe ich das Gefühl, da ist was passiert. Deswegen sage ich Nein, der Thalia-Begriff ist keine Mogelpackung. Trotzdem kämpfe ich darum, das Haus zurück zu kriegen, in der Karl-Albrechtstraße, und zwar um ein landesweites Kinder und Jugendtheater Zentrum aufzubauen. Das heißt nicht, dass wir keins mehr machen, sondern Möglichkeiten zu geben für Schultheater, für Festivals. Natürlich für Inszenierungen von uns, wo wir Platz brauchen. Denn wir haben keinen Platz zum Spielen, um den Bedürfnissen gerecht zu werden. Das will ich zusammen mit Land und Stadt zurückhaben. Also ich nicht. Also wir, so. Aber, deswegen sage ich mal wir können geläutert und viel verbessert mit diesem Haus jetzt umgehen.

 

Stefan Petraschewsky [1:35:57] :

Jetzt hab ich noch ganze anderthalb Minuten deswegen biet, biet, biete ich dir jetzt noch einmal zwei Halbsätze an und du kannst einen dieser beiden Sätze vervollständigen.

 

Matthias Brenner:

Mhm.

 

Der erste Satz lautet „Haustarifverträge sind doof, ‚Komma‘ weil…“ und der zweite Satz lautet „Haustarifverträge sind gut, ‚Komma‘ weil…“.

 

Matthias Brenner [1:36:14] :

Haustarif-, Haustarifverträge sind gut ‚Komma‘ weil, ich in dieser Zeit, wo es vielleicht nicht anders geht, Arbeitsplätze schützen kann.